Durch die Corona-Pandemie arbeiteten die meisten Berufsleute, die nicht einem Handwerk oder im Dienstleistungsbereich tätig sind, monatelang im Home Office – und hingen zeitweise stundenlang in Videokonferenzen. Auch Studierenden im Tertiärbereich erging und ergeht es noch immer so. Das hat Konsequenzen: Laut einer Studie belastet die sogenannte «Zoom Fatigue» eine Mehrzahl der Arbeitnehmenden und Studierenden.

Das Jahr 2020 war geprägt von Disruption. Covid-19 hatte fast alle unsere Lebensbereiche erfasst. Eines der dabei begleitenden Phänomene 2020 war der Durchbruch der Umsetzungsund Anwendungskompetenz in weiten Teilen der Bevölkerung bezüglich virtueller Kommunikation und Interaktion – auch in der Wissensvermittlung mittels virtuellen Unterrichts. Ein Beispiel unter vielen: In der Weiterbildungsbranche kann sich kein Weiterbildungsanbieter heute noch leisten, nicht fit zu sein im Bereich Online-Learning oder -Coaching. Aber ein Ausdruck macht nun nach über einem Jahr extensiver Nutzung der Online-Tools in der Arbeitswelt sowie im Online- und Homeschooling die Runde: «Zoom Fatigue». Damit bezeichnet man die Motivationsproblematik und den Überdruss, den gesamten Wissenstransfer, alle Besprechungen, Meetings und Interaktionen über Zoom,
Teams, Skype und andere Videokonferenzsysteme laufen zu lassen. Präsenzunterricht und der direkte Kontakt mit den Mitmenschen fehlen. Daniel Herzog, CEO der Lernwerkstatt Olten (www.lernwerkstatt.ch): «Aktuell breitet sich in vielen Branchen tatsächlich eine «Zoom Fatigue» aus. Der physische Austausch in Meetings, am Arbeitsplatz sowie im
Präsenzunterricht wird vermisst. Die Vorzüge des virtuellen Unterrichts sind aber nicht zu verleugnen. Hybrider Unterricht – also die wahlweise Teilnahme im Seminarraum oder via Videokonferenzsystem – hat eine grosse Zukunft vor sich.» Auch Terry Tschumi, Schulleiterin der TEKO Basel (www.teko.ch), findet, dass bei allen Nachteilen, welche die aktuelle Situation mit sich bringe – wie eingeschränkte persönliche Kontakte zu Kunden, Mitarbeitenden, Freunden und Familie sowie die fehlende persönliche Nähe –, die «neuen» Wege der Kommunikation auch ihre Vorteile stärker zum Vorschein gebracht hätten: «Lange Distanzen sind keine Hindernisse mehr; die Akzeptanz, ein Meeting online durchzuführen, ist gestiegen. In Bezug auf den Unterricht im Bereich der  Erwachsenenbildung liegt der langfristige Vorteil klar bei der Möglichkeit, einen Hybridunterricht durchführen zu können. Während also die einen vor Ort sind, können andere dem Präsenzunterricht von zu Hause online folgen. Damit können verschiedene Bedürfnisse befriedigt werden.»

WAHRNEHMUNG VON KÖRPERSPRACHE UND MIKROEXPRESSIONEN
Dennoch sind sich alle einig: Die «Zoom Fatigue» wird zu einem Faktor. Die intensive Nutzung von Videokonferenztools führe zu einer anderen Art von Müdigkeit und sogar zu Erschöpfung als Präsenztermine, heisst es unisono von den Fachleuten, die sich mit den neuen Einflüssen auf unsere Arbeitswelt befassen. Eine Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen publizierte die Details. Die Studie basiert auf einer Befragung im Spätsommer und Herbst 2020 über verschiedene gängige Social-Media-Kanäle. Es war die erste wissenschaftliche Untersuchung über die Onlinemüdigkeit im deutschsprachigen Raum. Rund 60 Prozent der Befragten bestätigten, dass sich bei ihnen eine Onlinemüdigkeit bemerkbar macht, 77 Prozent sagten manchmal und nur acht Prozent selten (gemäss Quelle). Zoom Fatigue sei damit ein Thema für Menschen, die häufig an virtuellen Meetings teilnehmen. Die Konzentration sinke, die Ungeduld steige. Die Studienteilnehmer nannten zudem physische Auswirkungen, zum Beispiel Kopf- und Rückenschmerzen.

Eines der grossen Probleme sei zudem die fehlende Wahrnehmung von Körpersprache und Mikroexpressionen. Nonverbale Konversation ist und bleibt eben ein wichtiges Element in der Kommunikation. Auch nicht zu vernachlässigen ist die so genannte Latenz der technischen Übertragungen. Diese erschwert die Kommunikation. Man fällt sich gegenseitig unbeabsichtigt ins Wort. Was kann also helfen? Je nach Länge der Session sind aktive Pausen wichtig. Es empfiehlt sich, immer wieder kurze Pausen von circa zehn Minuten einzuführen, sodass die Teilnehmer mental abschalten und sich bewegen können (Quelle: buhr-team). Fachleute raten zudem: Unternehmen sollten weniger Meetings durchführen und die Mitarbeitenden sollten darauf achten, dass sie nur wirklich notwendige Termine
annehmen. In den Sessions selbst sei es für alle Beteiligten hilfreich, wenn äussere Störfaktoren minimiert würden. Ausserdem hilft: die richtige Sitzposition, etwas zu trinken bereitstellen, den Raum lüften. Oft werde auch über «Digital Detox» debattiert: ein Verzicht auf einen permanenten Medienkonsum, auf Erreichbarkeit und Push-Nachrichten.

Bei viel Interaktion auch Online weniger schnell müde
Aber für viele gehört virtuelles Arbeiten jetzt vermehrt zum Alltag – auch wenn man sich eigentlich als «Live Performer» etabliert hat. Pascal Ott beispielsweise. Er ist «Spielförderer» sowie Gründer und Geschäftsführer von PROsoludo, die aus der Kombination von spielerischen Elementen und Betriebswirtschaft einzigartige Lösungen für Unternehmen entstehen lassen: «Krisen bieten die Chance, aus dem Status quo auszubrechen. Es scheint, als würden in Krisenzeiten nebst Video-Conferencing spielerische
Elemente, Spieltrieb und Kreativität wieder vermehrt im Zentrum stehen. Bei all dem Hype um Remote Work und Home Office wird oft vergessen, dass während der Pandemie viele im Home Office genau gleich wie bisher arbeiten. Die Aufträge kommen von aussen, jeder ist in seinem Silo, die absolvierte Zeit ist massgebend für die Pflichterfüllung. Und so entsteht
wahrscheinlich auch die Zoom Fatigue. Remote Work bedeutet: Arbeit und Organisation neu leben, neu denken, Abläufe, Prozesse und Tools neu denken, Verantwortung an den virtuellen Arbeitsplatz und an die Mitarbeitenden abtreten, Mitarbeitende zur Remote-Arbeit befähigen, Eigenverantwortung fördern und fordern, Transparenz, Kollaborations-Mindset unterstützen, Fokus auf die Ergebnisse setzen und nicht auf die Zeit. Mitdenken, Arbeit erkennen, Arbeitspakete selber aussuchen, eigenverantwortlich handeln und Wissen teilen: So entsteht auch keine Müdigkeit.»

Auch die HR-Fachfrau Diana Roth (Diana Roth Coaching) kennt das Phänomen und macht auf ein anderes Problem aufmerksam: «Jede Führungskraft zoomt mal schnell mit den Mitarbeitenden und hat das kleine Einmaleins dazu nie gelernt, monologisiert stundenlang vor sich hin und erlaubt gleichzeitig im Laisser-faire-Stil, dass die Kameras ausgeschaltet
bleiben. Da entsteht natürlich Zoom Fatigue.» Dabei würde man die menschlichen Regungen schlichtweg nicht genügend wahrnehmen. Auch würden Teilnehmende nicht einbezogen, Handzeichen galant übersehen und jegliches soziale Miteinander einfach unterbunden. Ihr Fazit ist: «Amateur-Zoomer machen es möglich: der soziale Schmierstoff trocknet aus, langsam – aber sicher.»

www.prosoludo.rocks
www.dianarothcoaching.com
www.lernwerkstatt.ch

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