Die Zirkus – Dynastie Knie nahm im 1803 als Seiltänzer- und Künstlerunternehmen ihren Anfang. Heute gehört der Circus Knie zu den Traditionsreichsten Zirkusunternehmen Europas. Knie ist ebenso ein modernes Wirtschaftsunternehmen, zu dem Knies Kinderzoo in Rapperswil gehört, mit 350 Tieren. Mit dem schweizer Nationalcircus sind 80 Tiere unterwegs. Auch wenn die Elefanten fehlen und Knie auf Raubtiere verzichtet, heisst es nach wie vor „Menschen, Tiere, Sensationen“. Fredy Knie Junior ist Zirkusdirektor des Circus Knie. Er entführt uns in die spannende Zirkuswelt – Manege frei!
Es ist der 28. Juli 2018 und wir führen das Gespräch auf dem Aarauer Schachen, wo Knie seine Zelte aufgeschlagen hat. Auf dem Zirkusgelände herrscht eine gedrückte Stimmung: Der allseits beliebte Clown Spidi hat am Vorabend den Freitod gewählt. Doch ebenso spürt man den Zusammenhalt der grossen Zirkusfamilie in diesen traurigen Stunden, geprägt von gegenseitigem Respekt und Haltung. Fredy Knie junior gibt uns trotz der speziellen Situation Einblick in die Welt des Circus Knie – und dass hinter der Figur des schillernden Zirkusdirektors ein einfühlsamer und geerdeter Mensch steckt, welcher auch mit 71 Jahren tagtäglich mit seinen geliebten Pferden in der Manege arbeitet.
Clown Spidi war 25 Jahre mit dem Circus Knie unterwegs. Was ist passiert?
Ich weiss nicht, was in Spidi vorgegangen ist. Sein Tod ist ein harter Schlag; wir alle haben ihn sehr geschätzt und sind bestürzt. Spidi war Teil der Zirkusfamilie. Meine Tür steht allen jederzeit offen. Ich bin bestrebt, für jedes Problem gemeinsam eine Lösung zu finden. Doch manchmal passieren Dinge im Leben, wo auch ich keinen Einfluss darauf nehmen kann. Leider.
Der Begriff Zirkusfamilie gilt auch bei einem grossen Zirkusunternehmen wie Knie?
Absolut. Wir sind ein grosses Team, und ich bin der Teamleiter. Beim Circus Knie sind alle gleich. Klar verdient ein Zeltaufbauer nicht dasselbe Gehalt wie ein Spitzenartist. Aber bei uns hat jede und jeder denselben Stellenwert, alle gehören dazu.
Als Knie ist man quasi von Geburt an im Zirkusleben.
Mitarbeiter im Staff kommen und gehen, ein Zyklus wie im Geschäftsalltag. Doch wer als Knie ins Zirkusleben hineingeboren wird und diesen Beruf wählt, hat 100 Prozent Leidenschaft für den Zirkus. Weil: Zirkus ist 100 Prozent Leidenschaft.
Beim Circus Knie hat nun die siebte Generation das Ruder übernommen.
Meine Tochter Géraldine hat die künstlerische Leitung, Franco junior die technische, Doris Knie die administrative. Mein Schwiegersohn Maycol Errani ist für Auf-/Abbau Zelt und die Tiere zuständig. Die neue Generation hat ihre eigenen Ideen, und das ist gut so. Wir passen uns dem Zeitgeist des Unterhaltungsbusiness an, seit Generationen.
Inwiefern geht Circus Knie mit der Zeit?
Knie hat stets Top-Comedians, die mit auf Tournee gehen. Und im aktuellen Programm zeigen wir eine Drohnen-Nummer. Die Ansprüche des Publikums sind gestiegen. Wir fahren mit einer Lichtanlage auf, die auch einem Rockkonzert gut anstünde. Das Zirkuszelt ist klimatisiert. Trotzdem: Zirkus bleibt Zirkus. Bei uns geniessen die Leute zwei Stunden ein unvergessliches Live-Erlebnis; das bietet die digitale Welt nicht. Das Knie-Programm wird auch nie im Fernsehen zu sehen sein. Das ist Teil des Knie-Erfolgsgeheimnisses.
Welches sind die weiteren Teile Ihres Erfolgsrezeptes?
Wir respektieren das Publikum – das Publikum ist unsere Nummer eins. Diese Volksnähe werden wir nie verlieren. Die Schweizer interessieren sich für den Nationalcircus und haben die wohl höchste Zirkus-Affinität in Europa. Das erreichen wir mit kontinuierlicher Qualität, unserer Schweizer DNA. Wir arbeiten täglich hart daran, dem Publikum jedes Jahr ein abwechslungsreiches, tolles Programm zu bieten.
Die Elefanten sind seit drei Jahren nicht mehr dabei.
Der Asiatische Elefant ist leider vom Aussterben bedroht. Zirkusse und Zoos dürfen keine Tiere mehr importieren; die Zoos haben Bullenhaltung, sichern so Weiterbestand. Das Publikum hat diesen Entscheid schnell verstanden. Man kann die Elefanten in unserem einzigartigen Himmapan-Elefantenpark im Kinderzoo Rapperswil bestaunen. Knie verzichtet seit 2004 auch auf eine Raubtiernummer, aus Gründen der Logistik/Infrastruktur. 2018 haben wir Tiernummern mit Kamelen, Lamas, Pferden und Ponys.
Fredy Knie junior gilt als Pferdeflüsterer.
Ich entwickelte schon als kleiner Junge eine grosse Tierliebe. Und ja, Pferde sind meine Lieblingstiere. Sie sind edel, kraftvoll und doch so unglaublich sensibel. Man braucht Geduld, um mit ihnen zu arbeiten. Jedes Pferd bedeutet für mich eine neue Herausforderung. Und ich stehe jeden Vormittag mit den Pferden in der Manege, arbeite mit ihnen. Das ist mein Highlight des Tages. Das lasse ich mir nicht nehmen, mein Leben lang, tagtäglich. Die Pferde sind daran schuld, dass ich seit 1998 nicht mehr in den Ferien war (lacht).
Jedes Jahr besuchen rund 750’000 Zuschauer den Circus Knie; 2018 spielen Sie an
38 Standorten. Wie viele Zuschauer waren es in Zürich, wie hoch ist der Umsatz?
In Zürich kommen jeweils um die 100’000 Zuschauer; der Umsatz beträgt rund fünf Millionen Franken. Zürich ist wichtig für den Circus Knie. Stadt und Stadtverwaltung zeigen Goodwill. Matchentscheidend ist, dass wir weiterhin auf dem Sechseläutenplatz Gastrecht geniessen. Als wir in ZH-Wollishofen gastierten, hatten wir zehn bis 20 Prozent weniger Zuschauer, vor allem wegen der ÖV-Anbindung. Am Knotenpunkt Bellevue/Stadelhofen ist Knie mit den ÖV gut erreichbar, mit Parkhäusern für die PW-Besucher – das ist für das Publikum ein entscheidender Faktor. Und es will den Circus Knie auf dem Sechseläutenplatz, an einem zentralen Ort mitten in der Stadt.
2019 feiert Knie sein 100-Jahr-Jubiläum?
Im Juni 1919 spielte die vierte Generation erstmals mit einem Zeltzirkus, auf der Berner Schützenmatte. 2019, zum 100-Jahr-Jubiläum, lassen wir es krachen. Circus Knie kommt mit einem absoluten Hammer-Programm. Da erfülle ich mir einen Traum. Weiter werde ich mit einer Pferdenummer in der Manage auftreten. Mein Bruder Rolf produziert ein Musical – und es gibt weitere tolle Überraschungen. Da freuen wir uns auch sehr darauf. Das Publikum wird bestimmt ebenso grosse Freude haben.