Nutzt man die Individualpsychologie für einen positiven Umgang mit sich selbst sowie mit seinen Mitarbeitenden kann man viel erreichen, bestätigt Laura Messina. Sie muss es wissen, ist sie doch als Betriebliche Mentorin mit eidgenössischem Fachausweis, als Dipl. Coach SCA und Dipl. Individualpsychologische Beraterin AFI eine der profilierten Fachleute in der Schweiz.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen Minderwertigkeitsgefühlen sowie Überlegenheits- und Machtstreben. Mit einer richtigen Verknüpfung kommt man zu mehr Gelassenheit
und Erfolg. Laura Messina nutzt hierbei gerne die Instrumente der Tiefenpsychologie nach Alfred Adler. Im Unterschied zu seinem Zeitgenossen Sigmund Freud betont Alfred Adler die Eigenverantwortung und somit die Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Lebens. Zugehörigkeitsgefühlt stellt nach Adler eines der wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen dar. Laura Messina: «Wir streben alle nach unserem Platz in dieser
Welt. In der Gesellschaft gut eingebettet zu sein und uns sicher fühlen ist für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit entscheidend. Ist dieser Wert nicht gegeben versuchen wir mit Überlegenheits- und Machtstreben unseren Wert zu sichern.» Dieses Wissen lasse sich in allen Lebensbereichen anwenden, so Messina. Besonders auch im Geschäftsleben und somit im Zusammenleben in Unternehmungen. Da sei heute die Menschenkenntnis ein entscheidender Erfolgsfaktor. Durch das spezifische Wissen und Anwenden von Adlers Konzept liessen sich Missverständnisse, Fehlentscheidungen und Konflikte vermeiden.
«Geschäftsführer»: Laura Messina, wie wichtig ist es in der Arbeitswelt
von heute und besonders in den Bereichen Mentoring, Coaching und Berufsbildung, den Umgang mit sich selbst und den Mitarbeitenden
positiv zu gestalten?
Laura Messina: Die Schlüsselwörter dabei heissen Gleichwertigkeit, Gemeinschaftsgefühl und Ermutigung. Ein positiver Umgang mit sich selbst und den Mitarbeitenden ist entscheidend für die Motivation jedes einzelnen und im Endeffekt für den Erfolg der Zusammenarbeit eines Teams oder auch einer Ausbildungsgruppe. Nach Adler ist das Zugehörigkeitsgefühl das wichtigste Grundbedürfnis eines Menschen. Jeder Mensch möchte sich seines Platzes im Team oder in anderen sozialen Systemen sicher sein. Jeder Mensch möchte sich wichtig, wertvoll, gleichwertig und fähig fühlen. Erst wenn das Zugehörigkeitsgefühl gegeben ist, kann ein Gemeinschaftsgefühl entstehen. Dieses veranlasst uns einen Beitrag leisten zu wollen und zwar mit einer positiven Absicht für die Gemeinschaft. Man denkt nicht nur für sich selbst, sondern man handelt im Bewusstsein, sodass man mitverantwortlich ist für das Wohlergehen aller.
Haben Sie da ein Beispiel?
Ob jemand ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt hat, wird schnell sichtbar. Meistens sieht man dies bei jenen Menschen, die bereit sind weiterzudenken als nach dem Muster «Dienst nach Vorschrift».
Was hat sich in den letzten Jahren in diesem Bereich in den Arbeits- und
Lebenswelten besonders positiv entwickelt?
Der Führungstrend geht seit Jahren in diese Richtung. Hierarchien werden abgeflacht und die Mitarbeitenden bei Entscheidungen mit einbezogen. Es wird erkannt wie wichtig eine von Gleichwertigkeit geprägte Unternehmenskultur ist. Weiter wird erkannt wieviel wertvoller die Ergebnisse sind, wenn man die Mitarbeitenden ermutigt mitzugestalten. Jeder Mensch hat ganz individuelle wertvolle Ressourcen in sich. Wenn Menschen ermutigt sind, kommen diese Ressourcen zum Vorschein und bereichern das Unternehmen.
Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht mit der Individualpsychologie?
Ich persönlich lebe die Ansätze der Individualpsychologie täglich, egal ob privat oder im Berufsleben. Mir ist es wichtig meinen Mitmenschen auf Augenhöhe zu begegnen. Auch wenn einmal Konflikte entstehen weiss ich, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit das Thema Gleichwertigkeit aus dem Lot geraten ist. In diesem Fall ist es wichtig die wirklichen Bedürfnisse der beteiligten Personen zu erkennen und an der Beziehung zu arbeiten.
Ein sehr persönliches Thema ist der Umgang mit Minderwertigkeitsgefühlen.
Welche Rolle spielen diese im Arbeitsalltag?
Alfred Adler hat den Begriff «Minderwertigkeitsgefühl» eingeführt. Minderwertigkeitsgefühle
sind menschlich. Jeder hat sie. Sie haben eine wichtige Funktion. Wenn wir uns minderwertig fühlen, setzen wir im Idealfall alles daran besser zu werden und uns weiterzuentwickeln. Wenn das Minderwertigkeitsgefühl jedoch extrem ist, kann dies zu einer Überkompensation führen. Dies bedeutet, dass wir besser sein wollen als die anderen und uns den anderen überstellen. Das wird als Macht- und Überlegenheitsstreben
wahrgenommen. Das Resultat ist ein enormer Energieverschleiss und der Nährboden für Konflikte.
Wie kann Ihrer Meinung nach das Konzept Adlers einfach in Unternehmungen
umgesetzt werden?
Ich empfehle viel in die Beziehungen und in eine ermutigende Unternehmenskultur
zu investieren. Die Investition wird sich mehrfach auszahlen. Ermutigen heisst nicht nur Lob für gute Leistungen auszusprechen. Viel wichtiger ist es, die Menschen mit all ihren Eigenschaften zu würdigen und wenn etwas nicht so gut gelingt, auch kleine Fortschritte anzuerkennen. Theo Schoenaker sagt in seinem Buch «Das Leben selbst gestalten»:
«Ermutigung ist die einzige Kraft, die das natürliche Entwicklungspotenzial des Menschen zur Entfaltung bringen kann. Ermutigung ist alles, was mutig(er) macht und Wachstum ermöglicht. Hoffnung macht mutig. Freude macht mutig. Glauben macht mutig. Sicherheit macht mutig. Liebe macht mutig. Wer sich ermutigt fühlt, kann sich selbst vergessen und konzentriert und kreativ seine Beiträge in den Lebensaufgaben leisten.»