Jetzt schon populär in vielen Unternehmen, bald unverzichtbar in der Arbeitswelt: professionelles Online-Coaching und -Mentoring. Online-Coaching ist seit 2020 einer der starken Trends in Unternehmen sowie in der Erwachsenenbildung und hat Potenzial, auch in den kommenden Jahren zu einem dauerhaften Setting zu werden. Nun fragen sich viele: Ist jetzt der ideale Zeitpunkt, um sich als Erwachsenenbildner / in oder Coach selbstständig zu machen?
Die Covid-19-Pandemie fordert ihren Tribut und die Wirtschaft schwächelt. Arbeitsplätze werden gestrichen und Firmen sind zurückhaltend mit Neueinstellungen. Viele sehen in einer Selbstständigkeit eine verlockende Möglichkeit, der Krise zu begegnen. Aber Achtung: Erfolg und Misserfolg liegen nahe beieinander.
Wer sich mit über 50 Jahren auf Arbeitssuche begibt, braucht viel Ausdauer, ein gutes Netzwerk und auch etwas Glück. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Die Covid-19-Pandemie verschärft die angespannte Jobsituation zusätzlich. Nach 200 Bewerbungen stellt sich früher oder später die Frage: Soll ich mein Schicksal nicht besser selbst in die Hand nehmen und mich selbstständig machen? In einem Berufszweig ist die Nachfrage in den letzten Jahren stark gestiegen: beim betrieblichen Coaching und Mentoring. Hier ist in vielen Unternehmen der Bedarf gross, denn mit der Covid-19-Situation gehen Veränderungen innerhalb der Betriebe einher: Umstrukturierungen, Job-Rotation, neue Rollen und Aufgaben. Und leider auch Entlassungen – ob mit einem goldenen oder ohne Fallschirm und manchmal auch ohne Soziallösungen oder Abfindungen. Geht man aber davon aus, dass viele Unternehmen die Covid-19-Krise mit einer Umstrukturierung oder neuen Aufgaben ohne Entlassungswelle anstreben, kommen betriebliche Coaches oft zum Einsatz.
Suche nach einer Sinngebenden Aufgabe
Gerade in Branchen mit geringem Startkapital ist die Verlockung gross, sich selbstständig zu machen. Ein eigenes kleines Beauty-Studio ist schnell aus dem Boden gestampft oder als Trainer und Coach ist man ohne grosse Investition sofort parat. Gerade in der Erwachsenenbildung lockt die Aussicht auf eine interessante Aufgabe. Sein eigenes Know-how weitergeben zu dürfen oder Menschen in schwierigen Situationen oder Veränderungsprozessen zu begleiten, ist in der Tat sehr sinngebend und erfüllend. Aber
auch hier gilt die Fachkenntnis als oberste Prämisse. Auch wenn viele sich zum Coach berufen fühlen, sind nicht alle dafür qualifiziert. Schnell kann man in einer Coaching-Rolle eine Situation «verschlimmbessern» oder Schaden anrichten. Wer es wirklich ernst meint, kommt um eine fundierte Ausbildung nicht herum.
Coaches sind nämlich nicht einfach Begleiter / innen oder Berater / innen. Im Zeitalter der digitalen Transformation und der neuen Herausforderungen in der Arbeitswelt der Zukunft sind Coaches dann besonders gefragt, wenn sie ein breites Spektrum an Coachingtechniken mitbringen, um sich jeder Situation und allen Bedürfnissen anzupassen. Daniel Herzog ist CEO der Lernwerkstatt Olten, die eine moderne Ausbildung zum Coach entwickelt hat, bei welcher der Transformation der Arbeitswelt Rechnung getragen wird: «Für uns sind Coachingkompetenzen, neben Beratungs- und Trainingskompetenzen, die Schlüsselfähigkeiten von Führungskräften und Bildungsfachleuten der Zukunft. Ein zehntägiger Kurs bildet die Basis. In zwei weiteren Bausteinen führen wir unsere Kunden bis zur Berufsprüfung Betriebl. Mentor / in mit eidg. Fachausweis oder neu auch zu zwei Certificate of Advanced Studies (CAS).»
Auf die richtige Wahl kommt es an
Daniel Herzog hat in seiner Karriere im Bildungsbereich selbst vier Firmen gegründet und weiss, was Selbstständigkeit bedeutet. «In erster Linie mal viel Arbeit und Unsicherheit, dann aber auch grosse Erfüllung und Spass, wenn es funktioniert», meint er. Drei der von ihm alleine oder mit Partnern gegründete Firmen sind heute erfolgreich am Markt tätig. Eine kam nie richtig zum Fliegen. Das heisst, eine gewisse Risikobereitschaft und
Frustrationstoleranz ist auch nötig. Besondere Freude bereitet Herzog die Lernwerkstatt Olten, welche sich in den letzten 23 Jahren zum führenden Bildungszentrum für lebendige Erwachsenenbildung, wirkungsvolles Coaching und zielführendes Mentoring mit 30 Standorten entwickelt hat. «Schon seit vielen Jahren stehe ich nicht mehr auf, um Arbeiten zu gehen. Meine Geschäftsleitertätigkeit fühlt sich eher wie ein tolles Hobby an. Dies ist ein grosses Privileg, das eine erfolgreiche Selbstständigkeit und gelungenes Unternehmertum mit sich bringen können», sagt Herzog.
KALKULIEREN NICHT VERGESSEN
Soll man sich nun als Arbeitssuchende /r in die Selbstständigkeit als Trainer oder Coach begeben? Herzog rät zur Vorsicht. Schon oft habe er Personen gesehen, die all ihre Kraft und auch Geldreserven bis hin zu ihrem angesparten Alterskapital in eine vermeintlich einzigartige Geschäftsidee gesteckt haben und nach zwei Jahren frustriert und finanziell am Ende aufgeben mussten. Oft werden Aufwand und Ertrag falsch eingeschätzt. Speziell für die Trainerbranche hat die Lernwerkstatt Olten einen Honorarkalkulator entwickelt. Damit können selbstständige Trainer den Tageshonorarsatz für Tätigkeiten in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung berechnen. Selbstständigkeit hat viele Vorteile. Der aktuell angespannte Arbeitsmarkt und Schwierigkeiten, einen Job zu finden, sollten aber nicht primärer Beweggrund für das Abenteuer Selbstständigkeit sein, ist Herzog überzeugt.
Zehn Voraussetzungen
Man kann zehn Punkte für eine erfolgreiche Selbstständigkeit folgendermassen zusammenfassen: Es braucht eine konkrete Geschäftsidee, Fach- und Branchenkenntnisse, ein hohes Engagement, Risikobereitschaft, Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen, eine robuste Gesundheit, betriebswirtschaftliches Know-how, ein finanzielles Polster, viel Marketing- und Verkaufstalent und – heutzutage sehr wichtig – ein gutes Beziehungsnetz.
Stark im Trend ist natürlich die Fähigkeit, gutes Online-Coaching und -Mentoring anzubieten. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen bezüglich der Angebote. Und hier lauert die Chance, sich als Coach oder Mentor / in im Konkurrenzkampf durchzusetzen. Sabine Otth ist eine Expertin auf diesem Gebiet: «Online-Coaching benötigt eine ebenso sorgfältige Vorbereitung wie Coaching vor Ort. Es braucht zudem gegenseitiges Vertrauen:
der Coachee in die Integrität und Fachlichkeit des Coaches, der Coach in die Ernsthaftigkeit und das Veränderungs- und Entwicklungspotenzial des Coachees.» Man müsse auch Vertrauen aktiv schaffen durch Transparenz und sicheres Führen im digitalen Raum. Die nötige Technik müsse vorhanden sein und zielführend angewendet werden und es brauche eine professionelle Prozessführung durch den Coach, denn mangelnde Coachingfähigkeiten können online nicht wettgemacht werden.
Welche Coaching-tools gibt es?
Anstatt eines gemeinsamen realen dreidimensionalen Raums existieren im digitalen Coaching zwei Mal zweidimensionale Räume in Form der beiden Bildschirme. Zusätzlich stünden auch noch die beiden dreidimensionalen realen Räume des Coachees und Coaches zur Verfügung. Diese gelte es zu nutzen. Ein Bodenanker, so Sabine Otth, sei hierbei die Repräsentation eines örtlichen, zeitlichen und/oder emotionalen Ereignisses an einer bestimmten Stelle am Boden. «Boden-Anker erlauben es, innere Zustände sehr präzise zu definieren und exakt zu erleben. Dem Coachee erleichtert die Verwendung von Bodenankern, in die verankerte Situation zu kommen und sie deutlich von anderen am Boden verankerten Situationen zu trennen. Dem Coach helfen Bodenanker, sicherzustellen, dass der gewünschte Prozess in der richtigen Reihenfolge durchlaufen wird. Als Coach leitet man den Coachee mit klaren verbalen Ansagen und Fragen durch die Intervention – sei es durch die Timeline, das Disney-, Score- oder durch ein anderes Modell. Der / die Coachee bewegt sich frei in seinem /ihrem Raum. Als Coach hören Sie achtsam und aktiv zu, beachten Sprechpausen und geben dem Coachee genügend Zeit zum Nachdenken.»