Winterthur – einst eine Zürcher Untertanenstadt – galt lange als typische Industriestadt. Man sprach hierbei oft von „Sulzer Town“, weil der Konzern die Region Winterthur prägte. Doch seit vielen Jahren hat „Winti“ einen ganz anderen Ruf – und zwar einen als vorbildliche smart City.

Heute denkt man im Zusammenhang mit Winterthur an den Technopark oder an die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Stadt und Region stehen
für Innovation und Smartifikation. Das war nicht immer so. Im Mittelalter (1467) wurde Winterthur sogar an Zürich verpfändet und blieb in der Folge während Jahrhunderten Untertanenstadt der Zürcher. Diese behinderten die wirtschaftliche Entwicklung Winterthurs und wachten darüber, dass ihnen durch die Nachbarstadt keine Konkurrenz erwuchs.

Der wandel zu einem Technologiestandort
Aber auch in der jüngeren Vergangenheit hatte Winterthur mit verschiedenen Problemen zu kämpfen: In den 1980er-Jahren erlebte Winterthur nämlich einen markanten Einbruch der Maschinenindustrie. Tausende von Arbeitsplätzen verschwanden, und die Produktionsstätten von Sulzer an der Zürcherstrasse und in Oberwinterthur wurden zu Geisterstädten.

Mit einer neuen diversifizierteren Wirtschaftsstruktur wurde danach der Wandel vom Industrie- zum Technologiestandort mit hoher Wertschöpfung eingeleitet. Schwung in die Stadt brachte auch der Zuzug der angesehenen Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit unterdessen rund 7 000 Studierenden. Und es werden immer mehr. Und Winterthur boomt auch als Wohnstadt und kümmert sich seit vielen Jahren um Nachhaltigkeitsthemen und muss über die Grenzen des Wachstums nachdenken. Um diese neue hohe Lebensqualität zu sichern, sind Themen wie Digitalisierung, Urbanisierung, Klimawandel und der Umbau der Infrastruktursysteme im Energie- und Mobilitätsbereich
vorrangig geworden. Diese Herausforderungen sind nur mit «smarten Lösungswegen» und somit mit einem Weg zur Smart City umsetzbar. Die Smart City Winterthur soll diese im Sinne eines ganzheitlichen Entwicklungsansatzes ressortübergreifend, vernetzt mit Partnern und mit Unterstützung von digitalen Technologien angehen. Das Smart-City- Konzept geht weit über verwaltungsinterne E-Government- und Digitalstrategien hinaus. Die übergeordneten Ziele einer Smart City sind eine effiziente und ressourcenschonende Stadtentwicklung sowie die Erhöhung der Lebensqualität und Standortattraktivität. Dafür sollen die Chancen der Digitalisierung und aufstrebender Technologien genutzt und
neue Ansätze zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen eingesetzt
werden. Insgesamt soll ein innovatives urbanes Umfeld entstehen, das die Bevölkerung und die Wirtschaft einbezieht und neue Gestaltungsmöglichkeiten zulässt. Auch Mike Vogt, der wohl bekannteste Schweizer Experte im Bereich Smartifikation der urbanen Gegenden (Gründer der Fachmesse SmartSuisse), betont regelmässig: «Städte wie St. Gallen und
in den letzten Jahren besonders auch Winterthur sind bezüglich der sogenannten Smartifizierung führend.»

Smarte Projekte für die smart City
Winterthur präsentierte kürzlich in diesem Zusammenhang vier Smart-City- Projekte für das Jahr 2020. Bei diesen Pilotprojekten geht es unter anderem um Massnahmen gegen Hitzeinseln im neuen Stadtteil Lokstadt und die Förderung des Fuss- und Veloverkehrs. Für das Pilotgebiet im neuen Stadtteil Lokstadt auf dem Sulzerareal werden Klimasimulationen
durchgeführt. Dabei werden städtebauliche Erkenntnisse gegen Hitzeentwicklung in Städten ortsspezifisch überprüft. Mit besser geeigneten Bodenbelägen, der Begrünung von Fassaden oder ausgleichenden Luftströmen sollen Hitzeinseln abgekühlt werden. Die Ergebnisse der Simulationen fliessen dann in die noch offenen Entwicklungsetappen der
Lokstadt ein. Zudem stehen sie danach auch für künftige Baugebiete zur Verfügung. Mit dem Projekt «Förderung von Fuss- und Veloverkehr mittels Big Data» will die Stadt den emissionsfreien Verkehr fördern. Mittels einer App von Pro Velo Schweiz wird visualisiert, wie intensiv Wege genutzt werden und wo Optimierungsbedarf herrscht. Ausserdem sucht die Stadt Winterthur gemeinsam mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) nach den nachhaltigsten Batterielösungen für ihre elektrischen Fahrzeuge zur Kehrichtentsorgung. Und schliesslich setzt das Naturmuseum die Digitalisierung seines Naturfundbüros um. So können die kostbaren Fundstücke von Interessierten auch online und interaktiv begutachtet werden.

Bauboom und Nachhaltigkeit
Die Stadt Winterthur – aktuell mit über 115‘000 Einwohnerinnen und Einwohner die sechstgrösste Stadt der Schweiz – ist kontinuierlich gewachsen. Die kulturelle Vielfalt, der im Vergleich zu Zürich preiswerte Wohnraum, das breite Ausbildungsangebot und nicht zuletzt der persönliche Charakter und Charme einer kleinen Grossstadt spielen ihr
dabei zu.

Der aktuelle Bauboom ist nicht neu für die Stadt. Die Hochkonjunktur nach dem Zweiten Weltkrieg brachte auch Winterthur einen gewaltigen Schub diesbezüglich. Aber da begann auch das sogenannte Betonzeitalter: In der Ebene entstanden gross dimensionierte Wohn-Überbauungen, die Hänge wurden mit Einfamilienhäusern überzogen. Selbst die geschützten Dorfkerne wurden überbaut. In der Altstadt ging zwischen 1950 und 1980
viel wertvolle alte Bausubstanz verloren. Die Bevölkerungszahl stieg bis in die 60er-Jahre, es verzehnfachte sich die Zahl der Motofahrzeuge und das Strassennetz musste laufend ausgebaut werden. Die Rezession in den 1970er-Jahren brachte ein Umdenken, und der Umweltschutzgedanke stellte sich mehr ein.

Branchenstruktur: Viel Hightech und Industrielle Tradition
Die industrielle Tradition widerspiegelt sich heute noch in der starken Vertretung der Hightech-Industrie und des Engineerings (Maschinenbau und Baugewerbe). Der Anteil an wissens- und technologieintensiven Branchen ist hoch. Im Dienstleistungsbereich sind Versicherungen sowie das Gesundheits- und Bildungswesen überproportional vertreten,
und Branchen verfügen über ein grosses Wachstumspotenzial.

Eine besondere Rolle spielen dabei der Technopark und die ZHAW. Der Technopark Winterthur bietet das optimale Umfeld für innovative Menschen. Start-ups und Spin-offs arbeiten mit ZHAW-Forschungsinstituten sowie mit etablierten Unternehmen, die Transfer-Dienstleistungen anbieten, zusammen unter einem Dach. Sie tauschen Ideen und Erfahrungen aus, nutzen den direkten Draht untereinander und zu wichtigen Akteuren
im Innovationssystem. Die physische Nähe fördert hierbei Synergien in der Region. Die Unternehmen können zudem Förderpakete beantragen. Der grösste und bekannteste Anlass im Technopark ist die Startup Night – organisiert durch den Entrepreneur Club Winterthur. Der Technopark Winterthur liegt mitten im neu aufstrebenden Lokstadt-Areal in Zentrumsnähe. 10‘000 Quadratmeter Mietfläche stehen zur Verfügung. Auch die ZHAW betreibt hier einen ihren Campus mit der Hauptbibliothek.

Neuhegi: ein neues Quartier entsteht
Neuhegi ist bereits heute ein vielfältiger Stadtteil, in dem international tätige Hightech-Firmen angesiedelt sind und die schweizweit erste Null- Energie-Wohnüberbauung realisiert wurde. Mit dem Eulachpark entstand in den letzten Jahren der grösste Winterthurer Park. Darüber hinaus hat Neuhegi ein grosses Entwicklungspotenzial, da an unterschiedlichen
Standorten Flächen für Industrie / Gewerbe, Dienstleistungen, Wohnen, Versorgung usw. vorhanden sind. Bei einem Vollausbau bietet Neuhegi theoretisch Platz für etwa 4 000 Einwohner/innen und etwa 8 000 Arbeitsplätze. Eine herausragende Bedeutung bei der weiteren Entwicklung soll den Bahnstationen Grüze, Oberwinterthur und Hegi zukommen. Deren Umfelder werden zu Eingangspforten in den neuen Stadtteil aufgewertet.

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