Bei der Zürcher Privatbank Rahn + Bodmer Co. stehen noch echte Zürcher auf der Kommandobrücke. Ein Gespräch mit Banquier, Zünfter und Philanthrop Dr. Christian Rahn über die sagenhafte Kontinuität seiner Bank, Gletschermühlen und Traditionen einer Stadt, in der die Bank seit 1750 präsent ist.

Christian Rahn ist Mitglied der Zunft zum Widder, ausdauernder Bergsteiger und seit 1990 Partner von Rahn+Bodmer. Die «Handelszeitung» zählt ihn zu den letzten Mohikanern. Mit gutem Grund. Nur Personengesellschaften dürfen sich gemäss Bankengesetz Privatbanquiers nennen, und davon gibt es nur noch vier in der Schweiz. Alle Partner der Bank sind Unternehmer, voll haftend und voll arbeitend im Betrieb und haben dadurch eine grosse Glaubwürdigkeit, auch in der Politik. Aber weil sie nur noch wenige sind, verlieren sie an politischem Einfluss, und das ist bedauerlich.

«Geschäftsführer»: Ihre Bank wurde 1750 gegründet und ist heute dieälteste Schweizer Privatbank. Woher rührt diese sagenhafte Kontinuität?
Christian Rahn:Die Partnerfamilien haben es seit Beginn bis heute geschafft, Nachfolger innerhalb oder auch ausserhalb der Familie zu finden. Wir sind zuversichtlich, dass wir es auch in die nächste Generation schaffen. Zwei Faktoren spielen eine Rolle. Erstens, es geht nur dann, wenn die Partner ähnliche Werte verkörpern. In der Bankenszene sieht man Manager, die nicht zu uns passen würden. Zweitens, unsere Strategie ist sehr einfach, nämlich wir betreiben das Private Banking.

Junge Wettbewerber aus der Fintech-Branche rollen das Feld von hinten auf. Gibt es keine Bedenken, unter die Räder zu kommen?
Bedenken ist das falsche Wort. Wir dürfen auf keinen Fall den Anschlussan eine Entwicklung verpassen, die unser Geschäftsmodell betrifft. Ob sie einem passt oder nicht. 2004 wechselten wir als achte Bank der Schweiz auf die modernste Bankenplattform, Avaloq, von einem Host-basierten System auf ein Server-basiertes System. Heute denke ich an die Robot Advisors, also die roboterisierte Anlageberatung. Wir müssen beurteilen, in wie weit diese Entwicklung unser Geschäftsmodell unterstützen könnte. Es gibt Entwicklungen, die Teile des Private Banking sehr stark verändern werden. Unsere Überzeugung ist es, dass die persönliche und individuelle Betreuung nur bedingt durch technische oder technologische Entwicklungen abgelöst wird.

Staatliche Regulierungen, Weissgeldstrategie und tiefe Zinssätze akkumulieren sich zu Herausforderungen, bei denen man als Aussenstehender ins Grübeln kommt. Wie sehen Sie das?
Nicht nur Aussenstehende kommen ins Grübeln. Ich bin von der Ausbildung her Rechtsanwalt und war vor 30 Jahren bei meinem Eintritt in die Bank der einzige Jurist. Heute sind es acht plus verschiedene Paralegals. Wird ein Konto eröffnet, sind tiefe juristische Kenntnisse erforderlich. Unsere Berater verbringen 30 Prozent der Zeit mit Administration. Regulation ist gut, vieles ist notwendig, aber bei vielem schüttet man das Kind mit dem Bade aus. Vielfach muss man Compliance-Anforderungen erfüllen, die im Einzelfall überhaupt nicht gerechtfertigt sind. Das beschäftigt nicht nur uns, sondern mehr und mehr auch unsere Kundschaft.

Themenwechsel. Sie absolvieren anspruchsvolle Bergtouren – eine Ausdauerübung für Ihren Beruf?
Die Bergwelt ist für mich eine Passion. Anspruchsvolle Touren geben mir einen Ausgleich. Seit meiner Jugend bin ich Ausdauersportler. Die Touren dauern zwischen acht und 14 Stunden. Leider können im Bekanntenkreis nur wenige mithalten.

Sie engagieren sich persönlich in alpinen Projekten.
Ich engagiere mich bei zwei Projekten. Die Gletschermühlen in Cavaglia im Puschlav sind ein Naturdenkmal. Es gibt kaum anderswo in der Schweiz eine ähnliche Konzentration an schönen Gletschermühlen. Für die Begehung der ausgegrabenen Gletschermühlen waren Geländer, Seile und Treppen nötig. Das hat jetzt auch viele

Touristen in die Region gebracht. Aus diesem Grund unterstütze ich das. Zudem bin ich im Stiftungsrat einer Stiftung, die Berg- und Kletterrouten saniert. Wenn irgendwo Kletterhaken ersetzt oder Leitern verlängert werden müssen, weil etwa die Gletscher schwinden oder der Permafrost auftaut, finanzieren wir das.

Kommen wir zu den Zünften. 1336 setzte Rudolf Brun die Zunftverfassung in Kraft. Was war die Idee?
Zu dieser Zeit haben ein Patriziat und Adlige die Politik der Stadt bestimmt.Das hat zu Unzufriedenheit bei der Bürgerschaft geführt. Die Idee war, dass nicht mehr nur das Patriziat regiert, sondern dass auch die Bürger mitbestimmen, und diese waren damals am besten erfassbar über die Zünfte, das heisst über die Branchenorganisationen der Handwerker. Rudolf Brun konnte weitgehend mit diplomatischen Mitteln diese Zunftverfassung implementieren. Das war ein grosses Verdienst. Die Zünfte haben Leute in den grossen und den kleinen Rat delegiert. Die Politik war nun viel breiter abgestützt. 1803 hat allerdings Napoleon die Schweizüberrannt und die Zunftverfassung abgeschafft.

Welche Rollen spielen Zünfte heute für den Aufbau beruflicher Netzwerke?
Die Zunft ist eine soziale Gemeinschaft. Der freundschaftliche Austausch steht im Vordergrund. Zünfte wollen und sollen keine Rekrutierungsorte für Geschäfte sein. Es kann sein, dass man jemanden trifft, mit dem sich eine berufliche Verbindung ergibt. Aber das ist nicht das Ziel der Zünfte.

Wie wird man Zünfter?
Die Aufnahmebedingungen sind je nach Zunft verschieden. Zünfter wird man einfacher, wenn man Sohn eines Zünfters ist. Aber das ist keine Voraussetzung. Es gibt einen Aufnahmeprozess. Dabei wird geschaut, ob eine Person von der Kultur her in die Zunft passt. In gewissen Zünften braucht es das Bürgerrecht der Schweiz, des Kantons oder von Zürich. Bei vielen Zünften braucht es einen Bezug zu Zürich.

Welches sind die Pflichten des Zünfters? Die oberste Pflicht ist es, einen Beitrag zu leisten. Als geselliger und fürsorglicher Gesprächspartner und indem man eine Charge übernimmt. Das Amt des Sprechers am Abend des Sechseläutens, wenn sich die Zünfte gegenseitig besuchen, ist eine solche. Das ist ein Amt, das man übernehmen muss. Jeder soll einmal vorne stehen und eine Rede halten können.

Sie haben neben einem Sohn zwei Töchter. Wann öffnen sich die Zünfte für Frauen?
Es gibt die Gesellschaft zu Fraumünster, die nur aus Frauen besteht. Sie lebt ähnliche Werte wie die Zünfte und läuft am Umzug als Gast der Gesellschaft zur Constaffel mit. Bislang war es nicht möglich, die Gesellschaft in die Vereinigung derZürcher Zünfte aufzunehmen. Vielleicht wird das in Zukunft einmal möglich sein. Die zweite Frage ist, wann sich die Zünfte selber für Frauenmitglieder öffnen. Bis heute hat keine Zunft Frauen als Mitglieder. Es gibt keine für alle Zünfte geltende Regel, nach der Frauen nicht Mitglieder von Zünften sein dürfen. Das kommt auf jede Zunft selber an. Bei Rotary gab es früher auch keine Frauen, heute schon. Ich kann mir diesen Prozess auch bei den Zünften vorstellen.

Welches sind die Pflichten des Zunftmeisters?
Ich war sechs Jahre Zunftmeister. Man führt die Zunft und vertritt sie in der Zunftmeisterversammlung, dem höchsten zünftigen Gremium, nach aussen. Die Hauptaufgabe nach innen ist es zu schauen, dass der Zunftbetrieb läuft. Am meisten Zeit beanspruchen die Auftritte. Anspruchsvoll sind die launischen Tischreden, die vom Zunftmeister gefordert werden. Mein Vater war auch Zunftmeister, und ich dachte, wenn ich Zunftmeister werde, kann ich seine Reden wieder bringen. Schliesslich beträgt die Erinnerungszeit einer Rede in einer Zunft höchstens 20 Minuten. Ich konnte seine Reden dennoch nicht verwenden, weil sich der Humor in den letzten 40 Jahren komplett verändert hat.

Was kann man unternehmen, damit Zürcher weiterhin in Zürichgeschäften können?
Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Ich denke an Mieten, Steuern, Ausbildung und Infrastruktur. In Zürich Nord und Zürich West werden neue Zentren aufgebaut. Es entsteht neuer bezahlbarer Raum. Dafür sind wir dankbar. Früher fand alles im Zentrum von Zürich statt mit einer ständigen Verteuerung der Mietpreise. Wir sind zudem gesegnet mit einer hervorragenden ETH und Universität, und auch die Fachhochschulen haben enorm an Kompetenz zugelegt. Das ermöglicht es uns, top ausgebildete Leute zu finden, auch dank des zweiten Bildungswegs. Unsere Bank ist Mitglied der Handelskammer und verschiedener Bankenverbände. Persönlich bin ich Mitglied des Wirtschaftsbeirats FDP, der den Dialog zwischen Politik und Wirtschaft fördert. Ausserdem unterstützen wir auf verschiedene Weise die medizinische Grundlagenforschung unserer beiden Hochschulen. Diese Engagements von Privaten sind wichtig, damit die Rahmenbedingungen gut bleiben. Sie liegen uns am Herzen.

Welche herausragende Eigenschaft wünschen Sie sich von Unternehmern und Managern, die das Etikett Made in Zurich in die Welt hinaustragen?
Wir kommen zu Zwingli und dem Zwinglianismus. Etwas mehr davon kann nicht schaden. Angefangen bei der Bonusproblematik. Angemessenheit heisst das Wort dafür.

www.rahnbodmer.ch

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