Die Pandemie war und ist auch beim Thema Büro der Zukunft ein Brandbeschleuniger. Der Arbeitsalltag in den nächsten Jahren sieht ohne Frage flexibler aus. Die technologischen Voraussetzungen ermöglichen Remote-Lösungen. Stichworte wie Home Office und hybrides Arbeiten gewinnen an Bedeutung. Es geht aber nicht nur um die Büros im Unternehmen oder in den eigenen vier Wänden. So gewinnen Co-Working-Center an Bedeutung. Neben der positiven Euphorie dürfen aber die möglichen negativen Seiten nicht negiert werden.
Der Prozess der digitalen Transformation verstärkt für Büroimmobilien neue Rahmenbedingungen. Sowohl die klassischen Grossraumbüros als auch die alten Einzelzimmer des Arbeitens, die sich wie in einem Krankenhausflur links und
rechts wie an einer Perlenschnur aneinanderreihen, sind vom Aussterben bedroht. Oberwasser haben Funktionsräume, in denen man sich allein oder in kleineren Gruppen zurückziehen kann. Innenarchitektonisch setzt man auf lockere Atmosphäre mit grossem Kaffeeautomaten mit fairem Kaffee aus einer lokalen Rösterei und einem Töggelikasten. Hier stellt sich dann auch die Frage: Brauche ich überhaupt einen eigenen Schreibtisch oder setze ich, wie in anderen Bereichen, auf Sharing-Modelle? Wer drei Tage in der Woche im Home Office ist, braucht vielleicht keinen eigenen Schreibtisch. Carsharing geht doch auch. Unternehmensverantwortliche greifen das Thema gerne auf, da geringere Büroflächen schlicht auch weniger Kosten verursachen. Wo die Tische verschwinden, wachsen Meetingräume oder Begegnungszonen, oder die Flächen fallen gleich ganz weg. Home Office, vor wenigen Jahren noch ein Nischenthema für Unternehmen aus der IT-Branche, entwickelt sich zum gesellschaftlichen Megatrend.
NICHT NUR VORTEILE
Home Office ist aber ein zweischneidiges Schwert. Zwar funktioniert das individuelle Arbeiten im Remotestatus besser als von vielen Skeptikern erwartet. Allerdings gibt es Erfahrungen, die bedenklich stimmen müssen. Bei Microsoft Schweiz hat man schon einige Jahre vor der Pandemie eine ganze Etage leergeräumt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Hause ins Home Office geschickt. Technisch und bezüglich der Leistungsfähigkeit hat dies auch heute gut geklappt, aber die Teams, genauer der Teamspirit, haben gelitten. Das beginnt schon bei den kleinen Dingen im Alltag. Das Treffen um den Kaffeeautomaten mit alltäglichem Small-Talk fällt weg. Zudem hat sich herausgestellt, dass sich Konflikte im analogen Rahmen besser lösen lassen. Wenn das Home Office gut geplant ist, kann es sehr familienfreundlich sein. Da das Pendeln zum Arbeitsplatz wegfällt, entstehen neue Zeiträume und Fahrtkosten können gespart werden. Aber was ist, wenn Arbeitgeber auf die Idee kommen, genau aus diesem Grund die Gehälter zu drücken, oder wenn sie überlegen, Tätigkeiten in andere und billigere Länder zu verlagern? Auf jeden Fall zeichnen sich hybride Lösungen ab. Das Home Office wird genutzt, man kommt aber an zwei oder drei Tagen ins klassische Büro.
UMNUTZUNG ALS LÖSUNG
Auf jeden Fall wird es in den nächsten Jahren mehr leere Büroflächen geben. Aktuell sieht man aber immer noch die Baukomplexe mit Büroimmobilien in die Höhe wachsen. Wer mit dem Zug in den Hauptbahnhof nach Zürich einfährt, hat in den letzten Jahren erlebt, wie dieser mit Büroimmobilien fast schon zugestellt wurde. Auch in anderen Städten der Schweiz ist das zu sehen. So wachsen seit Jahren in Basel die neuen Türme der Roche in die Höhe und produzieren Flächen, die woanders in Basel jetzt leer stehen. Auch die Gewerbeimmobilien sind eher im Sinkflug. Während der Pandemie haben sich die Päckchen des Online-Versandhandels vor unserer Haustüre gestapelt. Darunter leiden in erster Linie die kleineren stationären Geschäfte, aber auch die Warenhäuser vor Ort. Ganzen Innenstädten drohen in den nächsten Jahren die Verödung. Das ruft nun unterschiedliche kommunalpolitische Verantwortliche wie die Handelskammern auf den Plan. Ein drohender Büro- und Gewerbeleerstand ist für die Stadtplanung eine Herausforderung.
Eine Möglichkeit, gegen Leerstände anzukämpfen, ist die Umwandlung von Büro- und Gewerbeflächen in Wohnungen. Das erscheint auf den ersten Blick ideal, da der Wohnungsmarkt gerade in den Zentren völlig überhitzt ist und eine durchschnittlich verdienende Familie die enormen Mieten nicht aufbringen, geschweige denn die Quadratmeterpreise bezahlen kann. Im Alltag ist das zu beobachten. Die Wohnsituation in grösseren Städten wie Basel, Bern oder Zürich ist oft prekär. Wird eine Wohnung frei, ist die Liste der Interessenten lang und beim Besichtigungstermin stehen die Bewerber Schlange vor der Haustür. Selbst in Agglomerationen wie den ländlichen Bereichen des Kantons Aargau wird die Situation immer schwieriger, da Menschen, die sich in Zürich keine Wohnung leisten können, in die Peripherie drängen. Und heute in der Schweiz eine grüne Wiese zu finden, auf der man bauen kann, ist meist ein Traumbild aus der Vergangenheit. Die Raumplanung muss im Gegenteil auf konsequente Verdichtungsstrategien setzen.
Eine Umnutzung ist auf jeden Fall attraktiv. Leere Ladenzeilen oder Bürokomplexe liegen oft in Toplagen und sind bei Anlegern wie Wohnungssuchenden begehrt. Büroflächen, die nicht mehr zeitgemäss sind, können in Wohnraum umgewandelt werden. Nach Home Office könnte sich dies zum zweiten Megatrend entwickeln.
Allerdings gibt es auch hier einige Hürden. Wer Büroflächen in Wohnraum umwandeln will, muss auf jeden Fall ein Baugenehmigungsverfahren in die Wege leiten. Wer einfach umbaut und vermietet, vermietet ansonsten einen Schwarzbau. Umwandlungen können zudem zur Überschreitung von vorgeschriebenen Abstandsregelungen führen, wenn zum Beispiel neue Balkone an der Fassade angebracht werden. Es tut sich auch hier ein Theorie-Praxis-Gap auf.
DER NEUE WEG DES CO-WORKING
Ein weiterer Lösungsweg, um Leerstände zu vermeiden, besteht darin, klassische Büroräumlichkeiten in Co-Working-Spaces umzuwandeln. Diese schiessen gerade wie Pilze aus dem Boden. Allgemein sind die Vorteile schnell zusammengefasst: flexible Laufzeiten, Inklusivleistungen, exklusive Lagen sowie bedarfsgerechte Arbeitsplatzlösungen vom Flex Desk über das Shared Office bis hin zum privaten Office. Die Wahl des richtigen Workingspaces hängt jedoch nicht nur von der Lage, sondern vor allem vom individuellen Konzept und den unterschiedlichen Leistungen der Co-Working-Spaces ab.
Dabei sind Akteure mit den unterschiedlichsten Hintergründen im Gründungsmodus. Das Unternehmen Regus hat schon vor Jahren in Zürcher Top-Lagen Büroflächen für ein gewisses Zeitfenster angeboten. Dafür gab und gibt es auch Kunden. Meist sind es hochqualifizierte Mitarbeiterinnen Mitarbeiter von global aufgestellten Unternehmen. Die Büros sind komfortabel ausgestattet. Die Dienstleistungen beinhalten schnelles WLAN und ergonomische Büromöbel. Dazu gibt es eine komplett ausgestattete Küche und zur Entspannung einen Lounge-Bereich.
Heutige Co-Working-Zentren sprechen oft ganz andere Zielgruppen und Generationen an. Sie bringen die Arbeit zurück an den Wohnort, ergänzen das Home Office. Zudem kurbeln sie die lokale Wirtschaft an und fördern den Austausch von Wissen, Ideen und Netzwerken. Grüne Themen stehen im Vordergrund. So wird die Verkehrsinfrastruktur durch den weitgehenden Wegfall der Pendlermobilität entlastet. Last, but not least geht es um eine verbesserte Lebensqualität und Sinnhaftigkeit des Arbeitens, die jüngere Generationen einfordern. Co-Working stellt den flexiblen Rahmen zur Verfügung für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben. Es gibt so mehr Zeit für Arbeit, Familie, Freunde, Hobbys und Engagement in der Gesellschaft. Der Anbieter FrachtRaum in Thun ist solch ein Beispiel. Dort stehen Arbeitsplätze zur Verfügung, die flexibel auf Tagesbasis gemietet werden können. Die komplette Büroinfrastruktur mit Internet, Drucker und Kopierern ist eine Selbstverständlichkeit, aber bezüglich der Arbeitskultur nicht der zentrale Treiber. Oft gliedert sich um die Arbeitswelt auch noch ein Angebot aus der Gastrobranche. Die Effinger Kaffeebar GmbH in Bern ist solch ein Beispiel.
Auch genossenschaftliche Lösungen gewinnen an Bedeutung. VillageOffice fördert neue Arbeitsformen und baut ein schweizweites Netzwerk von VillageOffice Co-Working-Spaces auf. Als Genossenschaft wollen die Verantwortlichen Brücken zwischen Gemeinden, Unternehmen, Immobilieneigentümern und Co-Workern bauen. Die angepeilte Perspektive ist sportlich: Bis zum Jahr 2030 soll jede Person in der Schweiz den nächsten
Co-Working-Space innerhalb von 15 Minuten erreichen. Ein Mittel zum Zweck ist die Zusammenarbeit mit der SBB. Es geht um die Errichtung von 60 bis 80 regionalen Co-Working-Spaces in kleinen und mittelgrossen Schweizer Bahnhöfen. Es gibt einen Zeitrahmen, der die nächsten fünf Jahre umspannt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Arbeitswelt in einem fundamentalen Umbruch befindet, der auch die Immobilienbranche umpflügen wird.