«Sind wir bereit für mehr PS in der Wirtschaft?» Unter diesem Motto fand am 25. September 2018 der Praxisdialog-Event der Organisation Female Business Seminars statt, der Weiterbildung- und Netzwerkplattform für beruflich engagierte Frauen. Der «Geschäftsführer» war bei der Tender-Diskussion dabei – und erfuhr, warum die Autobranche keine Männer-Domäne mehr darstellt, 80 Prozent in der heutigen Arbeitswelt mehr Voll- als Teilzeit bedeutet, dass Gleichberechtigung im Job sich positiv auf den Umsatz auswirkt und dass unter Umständen Frauen die weltweite Finanzkrise 2008 verhindert hätten. Gleichberechtigung und Rollenverständnis Mann/Frau sind auf allen Ebenen ein Thema – vor allem seit Beginn von #METOO im 2017.

Es begann vor einem Jahr mit den Vorwürfen gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein, welcher von mehreren Frauen der sexuellen Belästigung, Nötigung oder Vergewaltigung beschuldigt wurde, unter dem Hashtag #metoo – welcher bereits 2006 von der Aktivistin Tarana Burke in einem sozialen Netzwerk verwendet wurde. Sie engagierte sich damit gegen den sexuellen Missbrauch afroamerikanischer Frauen. Was in Hollywood 2017 begann, entwickelte sich rasant in eine weltweite Grundsatzdebatte Mann/Frau, machte damit Geschlechtergleichheit schlagartig wieder zum vieldiskutierten Thema. Inzwischen geht #metoo global. 

Feminismus ist Marktkonform
In den USA kochen seit Wochen die Emotionen hoch. Die Speerspitze der Auseinandersetzung bildet die Debatte um Brett Kavanaugh. Es geht um die Anschuldigungen um sexuelle Übergriffe. Doch Kavanaughs Wahl als Richter des Supreme Court, des obersten US-Gerichtshofs in Washington, wird vom Senat am 6. Oktober 2018 knapp bestätigt. Auch in Deutschland werden unter #metoo Übergriffsvorwürfe gegen Prominente laut. Der Journalist Ali Can lanciert im Sog der Rassismusdebatte um den Fussballer Mesut Özil den Hashtag #metwoo. Und das Magazin «Der Spiegel» bringt zum hundertjährigen Frauenwahlrecht sowie einjährigen #metoo-Jubiläum die Sonderausgabe #frauenland. Im Essay «Feminismus ist jetzt marktkonform» wirft die Journalistin Barbara Supp die provokante Frage auf: «Will die Bewegung wirklich eine bessere Welt?» In der Schweiz wird das Rollenverhältnis und -verständnis Mann/Frau bereits ab Ende 2014 heiss diskutiert: Die Zuger AL/Grünen-Lokalpolitikerin Jolanda Spiess-Hegglin beschuldigt Markus Hürlimann, dannzumal Präsident SVP Zug, wegen möglicher Delikte gegen die sexuelle Integrität. Aktuell zoffen sich ausgerechnet die SP-Genossen, welche das Thema Gleichberechtigung auf ihre rote Fahne geschrieben haben. Geht es um Ausrichtung der parteiinternen Aargauer SP-Ständeratskandidatur, ist Nationalrat Cédric Wermuth plötzlich das eigene Hemd näher als die Frauenquotenjacke, welche von seiner Kontrahentin Nationalrätin Yvonne Feri heraufbeschworen wird – «Gender-Krach bei den Genossen» titelt das Boulevardmedium Blick. 

Female Business im Dialog
Dabei ist aus dem Fokus geraten, dass in der Geschäftswelt schon längst eine angeregte Diskussion über das Frauen- und Männerbild im Business im Gange ist. Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund: Ist die Genderdebatte immer noch so zementiert? Sind Frauen wirklich bereit für die Karriere in den Unternehmen, die Extrameile zu gehen – und vor allem, sind die Unternehmen bereit für Frauenkarrieren, für eine weiblichere Unternehmenskultur? Dazu lud Female Business Seminars am 25. September 2018 zum Praxisdialog ein. Die Organisation beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema. Bezeichnenderweise waren auch Männer zum Praxisdialog eingeladen. Die Event-­Location Porsche Zentrum Zürich in Schlieren präsentiert und verkauft die Automobile der archetypischen Schön-und-schnell-Marke. Eine reine Männerdo­mäne? Alexander Mezger, Leiter Marketing, widerspricht: «Erfreulicherweise sind bei uns 25 Prozent der Käuferschaft Frauen, welche ihre Unterschrift unter den Kaufvertrag eines Porsches setzen – Tendenz steigend.» 

Gleichberechtigung und Umsatzschub
Auf dem Podium präsentierten sich Dr. Karin Jeker Weber, Veranstalterin des Praxisdialogs und Gründerin/CEO von Female Business Seminars, welche spezifisch für beruflich engagierte Frauen Weiterbildungs- und Netzwerkveranstaltungen konzipiert, Sandra Forster, Head HR und GL-Mitglied von Hilti (Schweiz) AG, Jennifer Sara Brügger, HR Business Partnerin von AMAG First AG, und Andy Keel von «Der Teilzeitmann» und DOIT-smart/Gender Diversity Unternehmensberatung. 

Sandra Forster hat mit Hilti 2017 den Prix Balance d’honneur erhalten, verliehen vom Kanton Zürich. Dieser zeichnete Hilti Schweiz für das ausser­gewöhnliche Engagement bezüglich Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben aus. Ausgerechnet ein Unternehmen, welches mit Akkubohrern und Dübeltechnik assoziiert wird. Sandra Forster: «Bei Hilti herrscht Chancengleichheit. Wir sind das erste grössere Unternehmen, welches in der Schweiz Teilzeitmodelle im Vertrieb einführte. Die Erfahrungen waren durchwegs positiv. Wir bieten unseren Mitarbeitenden flexible Teilzeitmodelle, Homeoffice, Vaterschaftsurlaube und vieles mehr. Diese Flexibilisierung hat die Unternehmenskultur positiv verändert. Weil Gleichberechtigung und Transparenz im Job nicht nur Schub nach innen geben – sondern auch nach aussen. Durch die heterogene Belegschaft können wir nun auch besser auf die Kunden eingehen, was sich ja zum Schluss positiv auf den Umsatz, aufs Geschäftsergebnis auswirkt. Und Frauen sind Teamworkerinnen. Klar geschah dieser Kulturwandel nicht von einem Tag auf den anderen – der Status quo mit festgefahrenen Strukturen und Meinungen war am Anfang auch bei Hilti ein Hindernis.» 

Faktor Teamwork 
Jennifer Sara Brügger bewegt sich bei AMAG ebenso in einer, auf den ersten Blick, reinen Männerwelt. «Die Autowelt gilt als männerlastig. Das ist aber ein Vorurteil. Im kaufmännischen Bereich sind bei uns Frauen in der Überzahl. Und auch im klassischen Autoverkauf zählt die AMAG auf immer mehr Frauen. Denn eine Autoverkäuferin hat zumeist einen schnelleren und vertrauteren Zugang zu einer Kundin. Business von Frau zu Frau. Klar, in der Werkstatt ist der Männeranteil 80 Prozent und mehr. Doch auch hier findet ein Kulturwandel statt – dazu mussten wir natürlich die Infrastruktur entsprechend anpassen. Zum Beispiel mit getrennten Garderoben. Wir versuchen bei der AMAG, auf allen Ebenen das Bewusstsein zu stärken, mehr Frauen in die Technik zu holen. Frauen sind durchaus in der Lage anzupacken. Gilt es, bei einem Nutzfahrzeug-Radwechsel schwere Teile hochzuwuchten, spielt der Faktor Teamwork eine wichtige Rolle. Last but not least vertrauen wir bei der AMAG aufs Credo: die richtige Person für den richtigen Job.»

Das Rollenbild reformieren
Andy Keel ist Initiator von «Der Teilzeitmann» und Geschäftsführer von DOIT-smart. Das Unternehmen begleitet Firmen, welche Gender Diversity als wesentlichen Erfolgs- und Qualitätsfaktor sowie gelebte Selbstverständlichkeit gezielt weiterentwickeln wollen. Für Andy Keel sind Teilzeitmodelle von 80 Prozent absolut möglich im heutigen Business. «80 Prozent sind ja heutzutage oft schon Usus, also eher ein Voll- denn ein Teilzeitmodell. Wobei viele Jobs nach wie vor mit einem Engagement von unter 80 Stellenprozent nicht machbar sind, vor allem in Führungspositionen. Der Nutzen von mehr Frauen im Kader wird massiv unterschätzt. An drei zentralen Punkten gilt es, den Hebel anzusetzen: erstens beim Thema Sozialisierung das erhärtete und veraltete Rollenbild in der Gesellschaft korrigieren. Zweitens Gesetzesstrukturen schaffen, welche die Gleichberechtigung fördern. Und drittens sind viele Unternehmen immer noch eine Zweiklassengesellschaft, was die Rollenverteilung Mann versus Frau betrifft.» Gemäss Keel arbeiten in der Schweizer Arbeitswelt aktuell 16.9 Prozent der Männer Teilzeit. «Unser mittelfristiges Ziel ist, dass der Anteil von Teilzeitarbeit bei den Männern auf 20 Prozent steigt. Dies öffnet den Arbeitsmarkt weiter für die Frauen – und fördert damit die Chancen zur Gleichstellstellung. Es liegt auch an den Frauen, die Initiative zu ergreifen, zu Hause einzufordern, dass sie wieder arbeiten gehen, dass der Mann seinen Beitrag dazu leistet. Eine 80-Prozent-Mutter ist keine Rabenmutter – da müssen wir in der Schweiz am Rollenbild arbeiten.» 

Lehman Brothers & Sisters 
Dr. Karin Jeker Weber ist zufrieden mit dem Event: «Das war ein rundum gelungener Anlass mit tollen Gästen in einer stimmigen Location. Das Thema des Events «Sind wir bereit für mehr PS in der Wirtschaft?» ist eine berechtigte Frage. Der Abend hat aufgezeigt, vor allem in den Gruppengesprächen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass gesellschaftlich und in den Unternehmen oft noch Mut und Wille fehlen, etwas zu ändern, die Voraussetzungen zu schaffen, welche Frauen ermöglichen, im Management Fuss zu fassen. Mut ist der Motor von allem, der Anstoss für Veränderungen und Bestehendes zu hinterfragen. Durch Mut können wir Verbesserungen anstreben und Neues wagen.» Andy Keels Schlusswort: «Im September 2008 stand die Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers am Anfang der grössten weltweiten Finanzkrise der Nachkriegszeit. Wahrscheinlich wäre Lehman Sisters ebenso pleite gegangen. Doch als Lehman Brothers and Sisters hätte das Unternehmen die komplexe Situation möglicherweise besser bewältigt.»

www.femalebusinessseminars.ch

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