Sie ist Unternehmerin, Künstlerin und Inhaberin des grössten Tattostudios Europas: Giada Ilardo. Die charismatische Brünette hat sich im zarten Alter von 16 Jahren selbständig gemacht. Heute besitzt die 33-jährige ein Tattoo- und Piercing-Imperium. Trotz Riesenunternehmen im Rücken hat die Unternehmerin nicht einen Hauch von Spontaneität und Kreativität verloren.
INTERVIEW MIT GIADA ILARDO, INHABERIN
Von Urs Huebscher
Das grösste Geschäft der Giahi-Kette befindet sich in Winterthur, welches durch individuelles Design überzeugt. Es lohnt sich das Meisterwerk persönlich zu betreten. Die sieben Tonnen schwere Stahltreppe, die sich durch die Decke schlingt, vereinigt drei Stockwerke, wobei jedes davon durch individuelles Design überzeugt. In einem solchen Ambiente erwartet man eigentlich eher ein Coiffure-Geschäft. Aber Giahi hebt sich klar vom gängigen Tattoo-Studio Ambiente der Mitbewerber ab. Die Besten und bekanntesten Tattoo-Künstler der Welt sind immer wieder als Gast-Tätowierer in einem der Giahi-Studios. Gemäss einem Bericht in der Bilanz wird das Unternehmen auf einen Wert von deutlich über fünf Millionen Franken geschätzt.
Geschäftsführer: Wie sind Sie ursprünglich dazu gekommen?
Giada Ilardo: Es brauchte viel Mut, etwas zu machen, was nicht alle machen. Noch heute tanze ich gerne aus der Reihe. Ich war 16, als ich die Schule abgebrochen habe und mein erstes Tattoostudio eröffnete. Ich hatte schon etwas Erfahrung gesammelt, doch musste ich vieles auch erst erlernen. Ich wusste und weiss noch immer genau, was ich will und bin stolz darauf, dass ich den Boden meines ersten Studios wortwörtlich selbst gelegt habe.
Tätowieren?
Heute tätowiere ich nicht mehr. Ich arbeite meist bei im Büro und koordiniere von dort aus zusammen mit meinem Team alle Pendenzen für unsere Filialen. Ich kann nicht eine Firma mit über 70 Mitarbeitern führen, Praktikanten ausbilden und gleichzeitig eine gute Tätowiererin sein. Das Tätowieren und Piercen war der Weg zum Ziel. Mein Tätigkeitsbereich liegt in der Unternehmungsführung, welche ich täglich auf revolutionäre Weise angehen möchte. Ich trete, was den Dienstleistungsbereich angeht vermehrt zurück und widme mich dem Design der Stores und der Ausbildung meiner Mitarbeitenden. Meine Mitarbeitenden liegen mir sehr am Herzen.
Ihre Unternehmensphilosophie ist revolutionär. Sie machen genau das, wovon viele nur predigen.
Ja. Ich involviere meine Mitarbeitenden aktiv in die Gestaltung des Unternehmens. Es ist niemals so, dass ich einfach über den Kopf meiner Mitarbeitenden hinweg entscheide. Egal um was es geht, mein Team wird gefragt. Meine Mitarbeitenden sind alles, was ich habe und ich möchte sie ihren hohen Wert spüren lassen.
Kann bei so viel Individualität stets noch professionell gearbeitet werden?
Natürlich gibt es gewisse Grundstrukturen, die von allen befolgt werden müssen. Wir sind pünktlich und machen unsere Arbeit exakt. Trotzdem ist jeder Künstler eigenständig. Doch die Arbeit ist extrem individuell. Auch ich arbeite gerne eigenständig und individuell. Ich machte selbst immer alles so, wie ich es für richtig hielt und lasse mich nicht kategorisieren. Die gleiche Freiheit will ich meinen Mitarbeitenden lassen.
Sie sind kreativ, spontan und doch scheint jeder Schritt wohlüberlegt, ist dies Ihr Geheimrezept?
Tatsächlich lasse ich mir für jeden Schritt immer die nötige Zeit. Die Impulsivität der Künstlerader in mir wird somit sorgfältig dosiert.
Sie lassen auch Ihren Mitarbeitenden freie Hand und haben keine Berührungsängste. Macht Sie diese Freizügigkeit als Unternehmerin aus?
Sehr weit! Ich sage ganz offen, dass ich jedem meinen Job sofort übergeben würde! Er oder sie muss ihn einfach genauso gut machen wie ich! Ich möchte, dass meine Mitarbeitenden Karriere machen und ich pushe jeden, der dies braucht und akzeptiert. Wenn ich merke, dass es jemandem zu viel wird, dann lasse ich nach. Es ist jedoch meine Überzeugung, dass ein gewisser Druck wichtig ist, um weiterzukommen. Ich gebe jede Woche eine Kaderschulung und verfolge auch das Ziel, dass mein Unternehmen ohne ständiges Intervenieren meinerseits weiterläuft.
Gibt es irgendjemanden, den ihr nicht glücklich macht? Welcher Kunde wurde bei euch noch nie gesehen?
Nebst der Stammkundschaft, dem langjährigen Tattoo Liebhaber oder dem Rocker, welcher sich grosse Projekte wie z.B. seinen ganzen Rücken oder den vollständigen Arm bei uns tätowieren lässt, gibt es bei uns auch die 70-jährige, die bei uns ihr erstes Tattoo stechen lässt oder Mütter, die ihr Baby für den ersten Ohrschuss bringen. Wir sind speziell auch für Kinder und Kleinkinder spezialisiert. Es gibt fast niemanden, den man bei uns nicht sieht. Wir sind offen für alle Menschen und freuen uns über die Diversität der Kundschaft mit oder ohne Piercings und Tattoos!
Ist das Tragen von Tattoos heute Normalität?
Früher hatten Tattoos oder Piercings etwas Verruchtes – doch heute sieht man in der Badeanstalt praktisch niemanden mehr, der keine Zeichnung auf der Haut hat. Der Körperkult ist also längst salonfähig geworden.
www.giahi.ch