Die Übergabe ist erfolgt, das Projekt offiziell abgeschlossen. Doch im Alltag zeigt sich schnell: Die neue App ist umständlich zu bedienen, das Webdesign passt nicht zu den internen Abläufen und das Online-Marketing bleibt hinter den Erwartungen zurück. Ein Fall von viel Technik – aber wenig Wirkung.
Szenarien wie dieses erlebt Iz Aldin Farag immer wieder, wenn Schweizer Unternehmen ihn um Hilfe bitten. Mit seiner Digitalagentur WEB4EX sind er und sein Team seit 2018 in Zürich aktiv und unterstützen KMUs dabei, ihre Geschäftsmodelle zukunftsfähig zu machen. In unserem heutigen Interview spricht er über die Bedeutung eines tiefgehenden Prozessverständnisses, Potenziale für entspannteres und nachhaltigeres Unternehmenswachstum und Digitalisierungs-Buzzwords, die einer kritischen Überprüfung würdig sind.
Herr Farag, wir freuen uns, dass Sie Zeit für das Gespräch gefunden haben. Lassen Sie uns ohne lange Vorrede gleich zum Punkt kommen. Viele KMUs empfinden Digitalisierung als kostspielige Dauerbaustelle. Was läuft Ihrer Meinung nach schief in der Zusammenarbeit mit klassischen Agenturen?
Iz Aldin Farag: Ehrlich gesagt: Viele klassische Agenturen ticken noch immer wie in den 2000ern – hübsches Design, nette Präsentationen, aber wenig Substanz im Backend. Das wirkt dann erstmal modern, aber unter der Haube ist oft Chaos. Die Prozesse der Kunden werden selten wirklich verstanden – und noch seltener digital mitgedacht. Stattdessen bekommt man ein hübsches Frontend, das die eigentlichen Probleme kaschiert, aber nicht löst.
Und das kann zum Problem werden. Denn was in der Oberfläche gut aussieht, kann in der Tiefe hohe Kosten verursachen, wenn man später merkt: Das passt gar nicht zum Unternehmen. Dann muss man umbauen, anpassen, flicken – und plötzlich wird die eigene Webseite zur Baustelle, die nie fertig wird.
Wie kann man vorbeugen?
Iz Aldin Farag: Was oft fehlt, ist ein ehrliches, strukturiertes Gespräch am Anfang. Nicht: ‚Wie soll die Website aussehen?‘, sondern: ‚Wie arbeitet ihr eigentlich? Wo klemmt’s wirklich? Wo wollt ihr hin?‘ Genau da setzen wir an. Unser Ziel ist, dass eine digitale Lösung kein schönes Extra ist, sondern ein funktionierender Teil des Unternehmens. Und das geht nur, wenn man das Unternehmen wirklich versteht – und nicht nur ein hübsches Layout für seine Webseite baut.
Das bedeutet ja auch, dass sich ein Unternehmer im Vorfeld schon ein paar Gedanken gemacht haben sollte. Wie erkennt er, ob er digital wirklich gut aufgestellt ist?
Iz Aldin Farag: Ein Gefühl von ‚digital gut aufgestellt‘ kann trügen – gerade bei KMUs. Man hat eine Website, ist auf Social Media präsent, vielleicht läuft sogar ein Online-Shop. Aber das bedeutet noch nicht, dass alles wirklich ineinandergreift oder zur Marke passt.
Wir sehen oft: Die Website ist schick, aber kaum jemand findet sie. Der Shop funktioniert technisch, aber Kunden springen nach dem dritten Klick ab. Oder: Es gibt eine App – aber keiner weiss so recht, wofür sie eigentlich gedacht ist. In solchen Fällen wurde halt digital ‚gebaut‘, aber nicht wirklich gedacht.
Digital gut aufgestellt ist man, wenn alles eine klare Linie hat: Die Website kommuniziert, was die Marke ausmacht. Das Design zieht sich konsequent durch – vom Logo bis zur Produktseite. Die App löst ein konkretes Problem. Das Online-Marketing bringt nicht nur Klicks, sondern gezielte Anfragen. Und wenn jemand von aussen auf das Unternehmen schaut, sagt er: ‚Verstehe ich sofort. Das passt.‘
Wir helfen unseren Kunden genau dabei – nicht einfach Tools zu haben, sondern ein stimmiges digitales Ökosystem, das von Branding über E-Commerce bis hin zur App genau auf die Zielgruppe und das Unternehmen zugeschnitten ist. Manchmal bedeutet das, weniger zu machen – aber dafür sinnvoller.
Können Sie das mit Beispielen aus Ihrem Arbeitsalltag veranschaulichen?
Iz Aldin Farag: Ja, das lässt sich sehr gut an zwei Projekten zeigen, die mir bis heute im Gedächtnis geblieben sind – gerade weil sie so typisch dafür sind, wie wichtig es ist, nicht einfach digital aufzurüsten, sondern gezielt zu hinterfragen, was wirklich gebraucht wird.
Ein Beispiel war ein mittelständisches Unternehmen, das eine Branchensoftware mieten wollte – Kostenpunkt rund 1’200 Franken im Monat. Die Lösung war okay, aber nicht wirklich auf ihre internen Abläufe abgestimmt. Deshalb haben wir uns hingesetzt, die Workflows durchleuchtet, Rückfragen gestellt, ein bisschen wie ein Detektivteam – und am Ende eine massgeschneiderte Software gebaut, die sich wirklich an den Alltag der Mitarbeitenden angepasst hat. Kein Overhead, keine Schulungsmonster. Einmalig 25’000 Franken Investition – und nach zwei Jahren hatte sich das komplett amortisiert. Plus: Das Team arbeitet heute deutlich effizienter, weil das System zu ihnen passt, nicht umgekehrt.
Ein zweites Beispiel war ein Zürcher Traditionsunternehmen im Handel. Die wollten ihr Lager modernisieren – dringend, weil die Abläufe immer mehr zum Nadelöhr wurden. Es standen grosse Anbieter im Raum, die mit monatelangen Integrationsprojekten und Standardlösungen kamen. Aber das hätte deren Realität einfach nicht abgebildet. Wir haben mit einem kleinen, motivierten Team in acht Wochen eine individuelle Lösung entwickelt – schlank, intuitiv, mit Schweizer Zahlungssystemen voll kompatibel. Der Kunde hat später gesagt: ‚Das war das erste Mal, dass eine digitale Lösung nicht mehr Arbeit gemacht, sondern wirklich Arbeit abgenommen hat.‘ Heute spart er rund 40 % Zeit in der Logistik – Tag für Tag.
Was beide Fälle zeigen: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Es geht darum, genau hinzuschauen, die Sprache des Kunden zu sprechen – und manchmal auch den Mut zu haben, gegen die Standardlösung zu argumentieren.
Und was würden Sie einem Unternehmer sagen, der sagt: ‚Unsere Prozesse laufen ja – warum also etwas ändern?
Iz Aldin Farag: Dann sage ich erstmal: Glückwunsch – das ist schon mehr, als viele behaupten können. Aber oft laufen Dinge nicht deshalb rund, weil sie ideal sind, sondern weil sich alle drum herum arrangiert haben. Prozesse sind wie Möbelstücke – sie altern mit dem Unternehmen. Irgendwann steht man schief, merkt’s aber erst, wenn man sich einmal neu hinsetzt.
Wir erleben häufig, dass sich Unternehmen durch kleine, gezielte digitale Anpassungen plötzlich Freiräume schaffen – sei es durch automatisierte Angebote, intelligentere Lagerverwaltung oder einen Webauftritt, der wirklich verkauft, statt nur zu informieren. Und genau da setzen wir an: nicht mit der Abrissbirne, sondern mit einem sehr präzisen Blick auf das, was schlummerndes Potenzial hat.
Sie arbeiten mit Partnern wie IT4EX und Gipfelstark. Wie funktioniert das konkret – und warum ist das für Ihre Kunden ein Vorteil?
Iz Aldin Farag: Ganz einfach gesagt: Wir wollen nicht alles selber machen – sondern lieber alles richtig. Deshalb arbeiten wir mit spezialisierten Partnern wie IT4EX und Gipfelstark zusammen. Das sind keine losen Kontakte, sondern langjährige, eingespielte Kooperationen. Jeder bringt seine Kernkompetenz ein – und das ohne Reibungsverluste.
Für unsere Kunden bedeutet das: Sie bekommen komplexe Lösungen aus einer Hand, ohne den üblichen Abstimmungsstress zwischen mehreren Anbietern. Ein Beispiel: Ein Kunde braucht eine neue Website, ein modernes Warenwirtschaftssystem und gezielte Online-Marketing-Kampagnen. Mit unserem Netzwerk können wir das alles aufeinander abstimmen – und zwar so, dass es am Ende nicht nur gut aussieht, sondern auch nahtlos funktioniert.
Für unseren Kunden ist das oft ein echter Aha-Moment – zu merken, wie angenehm und entlastend es ist, wenn sich alle Beteiligten schon kennen, aufeinander eingespielt sind – und niemand erklären muss, was der andere eigentlich gerade macht.
Viele Digitalagenturen preisen ihre massgeschneiderten Lösungen an – oft steckt dahinter aber vor allem viel Individualentwicklung, die teuer und wartungsintensiv ist. Wie verhindern Sie, dass Ihre hybriden Lösungen am Ende doch zu komplex oder zu teuer werden?
Iz Aldin Farag: Das ist eine berechtigte und wichtige Frage. Individualentwicklung kann schnell teuer und kompliziert werden, wenn sie nicht mit Bedacht eingesetzt wird. Wir verstehen gut, warum viele Kunden davor zurückschrecken.
Deshalb ist unser Ansatz bewusst hybrider Natur: Wir nutzen Standardkomponenten genau dort, wo sie robust, bewährt und kosteneffizient sind – und greifen nur dann zur individuellen Entwicklung, wenn es wirklich einen spürbaren Mehrwert bringt oder Standardlösungen an ihre Grenzen stossen.
Natürlich gibt es dabei immer Herausforderungen: Man muss das Zusammenspiel der verschiedenen Systeme sorgfältig planen und die Schnittstellen sauber gestalten. Und ja, es braucht manchmal mehr Aufwand im Vorfeld – aber langfristig zahlt sich diese Investition aus, weil die Lösung wartbar, flexibel und wirtschaftlich bleibt.
Wir scheuen uns nicht, auch mal „Nein“ zu sagen oder gemeinsam mit dem Kunden Prioritäten zu setzen, statt einfach blind Features anzuhäufen, die am Ende kaum genutzt werden.“
Ein gutes Stichwort. Angenommen, Budget wäre kein Thema: Welche digitalen Massnahmen würden Sie trotzdem nicht empfehlen – und warum?
Iz Aldin Farag: Ganz konkret: Wir würden niemals empfehlen, eine eigene, umfangreiche CRM- oder ERP-Lösung von Grund auf neu zu entwickeln, nur weil ‚selbst gemacht‘ angeblich besser klingt. Selbst bei unbegrenztem Budget sind solche Projekte oft gigantische Zeitfresser, voller versteckter Kosten und Risiken – und am Ende kaum besser als bewährte, etablierte Systeme.
Ausserdem sind viele Firmen gefangen in der Illusion, dass mehr Features automatisch mehr Erfolg bringen. Dabei bewährt sich häufig die Konzentration auf wenige, wirklich relevante Funktionen, die den Alltag erleichtern. Und ganz ehrlich: Ein aufwändig gestalteter, aber überfrachteter Online-Shop, der Kunden überfordert, bringt mehr Schaden als Nutzen – auch wenn das Budget da keine Grenzen setzt.
Sie sprechen gerade davon, dass manche digitale Lösungen oft überladen oder unnötig komplex sind. Gibt es in Ihrer Branche Dinge, die Sie richtig stören – die aber fast niemand laut ausspricht?
Iz Aldin Farag: Ja, das ist ein Thema, das wirklich viel zu selten offen angesprochen wird: Der enorme Hype um ‚Innovationen‘, die oft mehr Show als Substanz sind. Viele Agenturen und Anbieter hetzen von Trend zu Trend, präsentieren ständig die ‚nächste grosse Lösung‘, obwohl viele KMUs schlicht nicht darauf vorbereitet sind oder diese Tools gar nicht brauchen. Dieses Streben nach immer komplexeren Features und der Drang, möglichst ‚hip‘ zu wirken, führt dazu, dass viele Unternehmen überfordert werden und das Wesentliche aus den Augen verlieren.
Was wirklich stört, ist, dass dabei oft der gesunde Menschenverstand auf der Strecke bleibt – und Kunden mit Technologien konfrontiert werden, die ihr Geschäft nicht wirklich voranbringen. Das wird kaum thematisiert, weil es ja schick ist, immer das Neueste zu haben – aber das erzeugt häufig nur zusätzlichen Stress und Kosten.
Wie geht es besser?
Iz Aldin Farag: Ein gutes Beispiel aus Zürich, das mir oft hilft, Digitalisierung neu zu denken, ist das öffentliche Tramnetz. Auf den ersten Blick ist es einfach ein Verkehrsmittel. Doch hinter den Kulissen steckt ein hochkomplexes, selbstorganisierendes System – mit wechselnden Fahrplänen, verschiedenen Linien, flexiblen Verbindungen und einem ständigen Austausch von Daten zwischen Fahrzeugen und Leitstellen.
Das Tram funktioniert nicht, wenn jede Haltestelle oder jedes Fahrzeug isoliert entscheidet, wann es fährt oder hält. Stattdessen ist es das Zusammenspiel aller Beteiligten und die intelligente Steuerung, die das System effizient und zuverlässig macht.
Genauso sollte eine digitale Infrastruktur in einem Unternehmen nicht aus vielen einzelnen Insellösungen bestehen, die unabhängig voneinander laufen. Sie muss flexibel, vernetzt und anpassungsfähig sein, damit sie wirklich reibungslos funktioniert.
Und genau wie bei der Tram – sagen wir mal, wenn plötzlich am Bellevue oder vor der ETH alle gleichzeitig aussteigen wollen (lacht) – gilt auch: Wenn man zu stark eingreift oder zu viel kontrolliert, kann das System ins Stocken geraten. Digitalisierung braucht deshalb ein Gleichgewicht zwischen Struktur und Freiheit – damit Innovationen fliessen können und alle Beteiligten gut zusammenarbeiten.
Dieser Vergleich hat mir schon oft geholfen, die Komplexität und Dynamik digitaler Projekte besser zu erklären – und KMUs Mut zu machen, Digitalisierung als lebendigen Prozess zu sehen, nicht als starre Baustelle.
Ein treffender Vergleich – und ein gutes Schlusswort. Wir danken Ihnen für das interessante Gespräch und die spannenden Einblicke.
Über WEB4EX
Die Schweizer Digitalagentur WEB4EX wurde 2018 in Zürich gegründet und entwickelt individuelle Web- und App-Lösungen, E-Commerce-Systeme, Online-Marketing-Konzepte sowie Branding-Massnahmen. Dabei kombiniert WEB4EX Standardtechnologien mit gezielter Individualentwicklung, um digitale Angebote passgenau auf die Anforderungen von Schweizer Unternehmen abzustimmen. Unterstützung erhält es dabei durch ein starkes Partnernetzwerk.
Kontakt:
WEB4EX GmbH
Bellerivestrasse 29
8008 Zürich
+41 44 577 76 90
[email protected]
www.web4ex.ch










