von Urs Huebscher
Ich bin 44 Jahre und trat vor 14 Jahren offiziell ins Familienunternehmen ein. Nach meinem Wirtschaftsstudium an der HSG St. Gallen und einigen Wander- und Lehrjahren in namhaften Unternehmen der Finanz- und Automobilbranche bin ich 2001 ins elterliche Unternehmen eingestiegen. Zusammen mit meinem Vater habe ich einen gleitenden Generationenwechsel vollzogen. Seit 2001 wohne ich in Wangen an der Aare, wo auch unser Firmensitz und unsere Produktion domiziliert sind. Zu den täglichen Herausforderungen bei Roviva suche ich mir den Ausgleich im Winter beim Skifahren in den Bergen oder beim Segeln am Thunersee. Eine Fahrradausfahrt entlang der Aare oder eine Wanderung bringt mir ebenso Erholung. Zudem interessiere ich mich für Möbel, Architektur, Malerei und Fotografie und richte unwahrscheinlich gerne ein.War es für Sie immer klar die Geschicke des Unternehmens zu übernehmen?
Ich bin ins Familienunternehmen reingewachsen. Die «Roviva» sass bei uns am Mittagstisch, sie war in Sichtweite zu unserem Elternhaus, die «Roviva» kam mit auf Reisen und begleitete mich bis ins Bett. Mein Vater als Vertreter der 8. Generation der Familie Roth schaffte es, mir das Unternehmertum und die Aufgaben rund um die Roviva ganz natürlich schmackhaft zu machen. Ich bekam alles mit, die harten Dinge, aber auch die tollen schönen Dinge. Ganz selbstverständlich und ohne Muss, wollte ich als 9. Generation in die Fussstapfen von meinem Vater treten.
Seit neun Generationen produzieren Sie unter dem Namen Roviva – verpflichtet der Name?
Den Markennamen Roviva gibt es eigentlich erst seit 1966, vorher verwendete man für unsere diversen Produkte unsere Schutzmarke mit dem Pferd und die Bezeichnung Roth & Cie AG. Im Jahr 1748 legte mein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Grossvater den Grundstein unseres Unternehmens. Seit über einem Vierteljahrtausend produzieren wir Produkte rund ums Bett. Als 9. Generation trage ich nun dazu bei, das Unternehmen weiterhin erfolgreich in die Zukunft zu führen. Das Unternehmen ist für mich wie ein kostbares Buch, in welches ich das 9. Kapitel schreibe und ich dann an die 10. Generation weitergebe. Zudem ist roviva in Wangen einer der grössten Arbeitgeber und wir haben eine breite und treue Kundenstruktur, all dies verpflichtet, das Unternehmen in die Zukunft zu führen.
Zwei Riesen dominieren das Geschäft mit dem Schlaf in Europa. In den vergangenen Jahren haben die zwei Giganten auch etliche Schweizer Traditionsbetriebe geschluckt. Heute gibt es hierzulande praktisch keine Produzenten von Matratzen und Lattenrosten mehr, die noch in Schweizer Hand sind. Können Sie sich als unabhängiger Fabrikant noch behaupten?
Ja, in den vergangen Jahren ist in der Konzernkonzentration einiges gegangen. Die internationalen Konzerne schöpfen die ertragsreichen einverleibten Unternehmen ab. Das erwirtschaftete Kapital fliesst ab, meist ins Ausland. In unserem Familienunternehmen bleibt das erarbeitete Kapital im Unternehmen, es wird stetig reinvestiert. Dies ist ein signifikanter Vorteil von Familienunternehmen. So investieren wir z.B. bei neuen Ideen und Produktentwicklungen entschlossen und ohne langes Prozedere über ein Mutterhaus, sind so flexibel und agil. Dies verschafft uns einen zeitlichen und technologischen Wettbewerbsvorteil. Innovationen kommen ja bekanntlich von kleinen und dynamischen Unternehmen. Auch können wir Projekte realisieren, welche wir «aus dem Bauch heraus» für gut befinden und langfristig dem Unternehmen förderlich sind. Das kurzfristige Agieren und Rapportieren ist uns fremd. Es gibt auch den Trend von gewissen Kunden, welche das einzigartige Suchen, was sie nur bei kleinen und feinen Manufakturen wie bei uns finden. Sie schätzen die Individualität. Sie wollen mit den Entscheidungsträgern und Verantwortlichen direkt kommunizieren. Dabei spüren sie das Familiäre bei uns.
Sie sagten einmal «Das Unternehmen wird nie verkauft, so will es die Familien-Charta.» Wird das auch in Zukunft so bleiben?
Nochmal ein klares Ja. Von meiner Seite gibt es ein klares Bekenntnis zum Unternehmertum. Diese Aufgabe möchte ich auch zukünftigen Generationen der Familie Roth weitergeben. Aus diesem Grund steht das Unternehmen Roviva nicht zum Verkauf.
Sie verarbeiteten Rosshaar für Bettmatratzen, schliesslich kamen Borsten für Pinsel und Bürsten dazu – noch in den 1970er Jahren fanden diese, als Zahnbürsten veredelt, ihren Weg bis nach Amerika. Wie war das damals?
Neben der Herstellung von Rosshaar-Matratzen, der Zurichterei von Pinsel- und Bürstenhaaren stellten wir damals noch Rosshaargarn für die Textilindustrie sowie Formpolster für die Polsterindustrie wie auch für die Automobilindustrie her. Wir stellten tausende von Autositzen für die dazumal in Biel montierten Opel-Fahrzeuge her. Auch Sauer und Berna-Lastwagen sowie Eisenbahnwaggons hatten unsere Sitzbänke drin. Wir arbeiteten ausschliesslich mit Naturmaterialien und waren hauptsächlich Zulieferant von anderen Industrien. Es waren sehr erfolgreiche Jahre, wobei die Veränderung der Techniken und Bedürfnisse einen Wandel erzwangen. Rosshaarmatratzen wurden durch Federkernmatratzen ersetzt. Zahnbürsten waren fortan aus Nylon und Perlon, die Textilindustrie führte ihren Niedergang fort und die Autoindustrie verabschiedete sich aus der Schweiz. Erst ab den 70er Jahren wandelten wir uns zum reinen Matratzen- und Schlafsystemspezialisten, wobei die hohe vertikale Integration der Produktionsprozesse in diesem Segment geblieben ist. Gleichzeitig wurde in den Aufbau der Marke roviva investiert.
Ihr Firmenkomplex liegt mitten im Städtchen in der Nähe des Bahnhofs. In all den Jahren ist er stetig gewachsen, die teilweise noch aus der Gründerzeit stammen. Haben Sie nie mit dem Gedanken gespielt einen Neubau zu errichten?
Die Generationen vor mir haben stetig in die Bausubstanz investiert und wir sind so organisch über die Jahre gewachsen. Unsere Bausubstanz dokumentiert Industriegeschichte von 1748 mit dem Stammhaus bis 2010 mit unserem Hochregallager der «Sleepbox». Aus produktionstechnischer Sicht hindern uns die «alten» Gemäuer die Fabrikation unserer Produkte effizienter zu gestalten, auch ist der Platz beschränkt und knapp. Ein Aussiedeln auf die grüne Wiese kommt jedoch zum heutigen Zeitpunkt nicht in Frage. Ebenfalls strahlen unsere Fabrikhallen einen gewissen Charme aus, welcher unsere Verankerung mit Wangen und unsere Geschichte dokumentiert. An heissen, schwülwarmen Tagen, kommt der Duft unserer langen Unternehmensgeschichte nochmals aus den alten Gemäuern.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag genau aus?
Der Arbeitstag beginnt bereits um 7 Uhr mit Sichtung und Erledigung der Korrespondenz. Bei der Teamsitzung mit unserem Marketingverantwortlichen und Technischen Leiter tauschen wir uns über den Markt, unsere Kunden und deren Wünsche und den Stand unserer Produktentwicklungen aus. Anschliessend wird noch Testgelegen auf 6 in der Reihe liegenden Mustermatratzen. Ev. erhalten wir Besuch einer unserer Fachhandelspartner. Die Nähe zu unserem Kunden ist mir und unserer Geschäftsleitung sehr wichtig. Es ergeben sich gute und konstruktive Gespräche. Die Medienplanung und das Projekt «Digitale Zukunft» warten im Anschluss auf mich. Abends erwartet mich dann mein roviva Bett zur Erholung.
Die Matratzenfabrikation wurde im Laufe der Zeit vom Handwerker zur Fabrikproduktion zuerst durch die Federkern- und später durch die Schaumstoffmatratze. Erzählen Sie uns was darüber.
Mein Vater hat diese Entwicklung weitgehend geprägt und vorangetrieben. Da es am Anfang noch keine eigentlichen Anlagenbauer für die Matratzenfertigung gab, entwickelte man die Maschinen mit dem Betriebsmechaniker im eigenen Hause. Heute gibt es spezialisierte Firmen, welche tolle Maschinen für die Matratzenindustrie herstellen. Zu einem guten Schlafsystem gehört auch den entsprechende Unterbau und mein Vater richtete ebenfalls eine eigene Einlegerahmen-Produktion mit CNC-Maschinen und Holzbearbeitungszentren ein. Heute gehören wir zu den modernst eingerichteten Matratzenfabriken. Die Matratzen haben sich von Rosshaar- über Federkern- zu Schaumstoff-Matratzen entwickelt. Heute stellen wir Matratzen aus einer Kombination von verschiedenen erlesenen Materialien her wie Naturlatex, Kaltschaumqualitäten, viscoelastischen Schäumen und Taschenfederkern. Die Matratzen wurden im Verlaufe der Zeit dünner und nun wieder dicker. Ich bin sicher, dass der momentane Trend von riesendicken Matratzen wieder zu dünneren Matratzen kommt. Auf jeden Fall wurde die Matratze resp. das Schlafsystem in den vergangenen Jahren immer technischer und anspruchsvoller. Es ist gut, dass das Bewusstsein für den Schlaf gestiegen ist. Der einem Schlafsystem gebührende Stellenwert ist heute jedoch noch nicht erreicht.
Eine eigene Matratzenproduktion bedeutete in den sechziger Jahren dass die Firma vom namenlosen Zulieferer zum Produzenten eines Markenartikels werden musste. Wie entstand der Name Roviva?
Der Markenname roviva entstand 1966. Man wollte damals die Anfangsbuchstaben der Eigentümerfamilie Roth, also «Ro» verbinden bin den Anfangsbuchstaben der Ortschaft des Firmensitzes Wangen, also «Wa». Rowa war aber zu wenig emotionell und sinnlich und so fügte man mitten im w einen i dazwischen, was viva, gleich Leben ergab. roviva steht also für Leben resp. steht für gesundes Schlafen als Basis für gesundes Leben.
Wie viele Matratzen und Lattenroste produzieren Sie heute täglich?
Die Tagesproduktion beträgt ca. 150–200 Matratzen pro Tag und ca. 100–150 Systemrahmen pro Tag.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie hier?
Wir beschäftigen in Wangen insgesamt 62 Vollzeit-Angestellte.
Exportieren Sie auch in andere Länder? Ist der Heimmarkt Schweiz nach wie vor die Nummer 1 in Sachen Absatz?
Unser Exportanteil ist mit 8 % relativ klein. Wir exportieren nach Russland, Südkorea und in die USA. Dort sind Schweizer Qualität (Swissness), unsere über 267-jährige Tradition und Erfahrung und insbesondere in Asien unsere Ausstrahlung als Familienunternehmens hoch angesehen.
Der Stammmarkt ist und bleibt die Schweiz. Hier haben wir ein gut verteiltes Händlernetz, welches aber noch Potential nach oben besitzt. Ein weiterer Export gezielt in ausgesuchte Länder wird aber in Zukunft sicherlich ein Thema sein.
Was macht denn ein gutes Bett aus? Matratze, Lattenrost …?
Der Mensch steht für uns im Mittelpunkt. Er gibt vor, wie ein Schlafsystem beschaffen sein muss. Auf seine Bedürfnisse wie Ergonomie, Klimaempfinden, Bewegungsabläufe, Haltungsmuster, aber auch auf mentale und persönliche Eigenheiten sind Matratze, Systemrahmen sowie Duvet und Kissen abzustimmen. Der Systemrahmen bildet die Basis unseres Bettes. Auf ihm entfaltet die Matratze den Liegekomfort. Die Matratze nimmt die verschiedenen Druckbelastungen auf, der Rücken wird entlastet und unterstützt; hochelastisch aber nicht weich, kraftvoll aber nicht hart. Die extra sensible Schulteraufnahmezone der Matratze und des Systemrahmens bewirken, dass der Schläfer von Druckstellen befreit wird und dass die Wirbelsäule auch in Seitenlage gerade gebettet ist. Wichtig ist zudem ein ausgeglichenes Bettklima, daher werden bei roviva sämtliche Materialien von Schaumstoff, Latexschaum bis zu den Polsterauflagen tausendfach perforiert resp. geschlitzt, damit Körperwärme und Feuchtigkeit optimal durch die Matratze abgeleitet wird und frische Luft zum Körper zugeführt wird. Wir nennen diese Innovation Arivent-Perforation. Natürliche Materialien sind klimatisierend und sorgen ebenfalls für ein gesundes Bettklima. Mit roviva SilverskinAg und Miloba, welchen mögliche Bakterien, Hausstaubmilben und Mikroben den Graus machen und der zusätzlichen Waschbarkeit der Matratzenbezüge tragen wir der Hygiene und Sauberkeit des Schlafsystems Rechung. Ein Schlafsystem muss auch nachhaltig sein, d.h. sowohl bei der Materialauswahl setzen wir auf natürliche, nachwachsende Rohstoffe sowie in der Verarbeitung legen wir Wert auf eine umweltschonende Produktion und berücksichtigen Rohstoffe aus unserer Nähe. So haben wir die besten Voraussetzungen, dass das Schlafsystem nicht nur über einige Nächte hinweg, sondern über Jahre hinweg zu einem gesunden und erholsamen Schlaf beiträgt.
Und die Billigprodukte die auf dem Markt sind – alles Ramsch?
Leider realisiert der Käufer meist nicht, dass billige Produkte aufgrund mangelhafter Qualität schneller ersetzt werden müssen, also wenig nachhaltig sind, die meist verarbeitete Synthetik zu einem unruhigen Schlaf und zu einem hitzenden Schlafklima führen. Billigprodukte sind meistens im fernen Ausland produziert und haben tausende von Fahrtkilometern hinter sich. Der Werkplatz Schweiz hat dabei das Nachsehen.
Im Durchschnitt schlafen wir Menschen jede Nacht zwischen sieben und acht Stunden – und verschlafen damit etwa ein Drittel unseres Lebens. Wieso ist es denn so wichtig, dass wir gut schlafen?
Der menschliche Organismus durchläuft nachts ein abwechslungs- und auch bewegungsreiches Programm, bei dem sich Muskeln, Bänder, Bandscheiben und Wirbel regenerieren. Der Schlaf dient jedoch auch der Erholung und dem Wachstum des Organsystems, namentlich des Immunsystems und des Nervensystems. Weiter hilft der Schlaf, Erfahrungen und Erlebnisse in Form von Träumen zu verarbeiten und zu ordnen. Daher ist ein erholsamer Schlaf für uns Menschen so wichtig.
Sie halten die Tradition hoch und setzen seit einiger Zeit mit der zweiten Marke Au Sommet auch aufs obere und höchste Preissegment. Luxusbetten mit St.Galler Stickereien auf dem Seidenbezug und Materialien wie Babykamelhaar in der Matratze. Was steckt hinter dieser Strategie?
Das Schlafzimmer resp. das Bett ist etwas sehr intimes, es ist ein Rückzugsort für den Menschen. Zum Wohlbefinden trägt nicht nur die Gewissheit bei, auf einer der besten Schlafsysteme zu schlafen, sondern auch das Gefühl, sich etwas Gutes und Exklusives zu gönnen. Mit AU SOMMET – Haute Literie Suisse depuis 1748 – wollten wir ein ganz exklusives Schlaferlebnis bieten für eine Kundschaft, welche das edle und einzigartige sucht. Es sind Einzelanfertigungen und wahre Meisterwerke, welche die Krönung der Schlafkultur repräsentieren. Frauen schwärmen für Abendkleider mit St. Galler Stickerei, Frauen schwärmen für schöne Stoffe und sie schwärmen ebenfalls für den seidigen und glitzernden Glanz unserer exklusiven Matratzen und Betten von AU SOMMET. Schlafen ist eben sinnlich.
Zudem hilft AU SOMMET unsere Hauptmarke roviva noch attraktiver zu machen und nach oben abzurunden. Für das Exportgeschäft sind solche Prestigeprodukte ebenfalls hilfreich und finden dort Anklang.