Einen Massanzug zusammenzustellen und zu kaufen braucht etwas Mut – besonders beim ersten mal. Dabei erwarten den Kunden professionelle Beratung und eine entspannte Atmosphäre. Aber wie läuft so ein Termin zum auswählen und Massnehmen genau ab? Die «ZÜRICHRUNDSCHAU» war bei den ersten Schritten zum eigenen Massanzug dabei und hat den Profis über die Schulter geschaut.
Der erste Eindruck beim Betreten des grossen Erdgeschosses mit dem Billardtisch und dem freundlichen Personal ist überwältigend und familiär. Die Wegelins haben das Modegeschäft in Winterthur 2014 übernommen – Vater Emanuel Wegelin war hier einst Kunde. Seit 2017 leitet sein Sohn Dan Wegelin das Geschäft, auch Mutter Regula Wegelin und Schwester Naemi Bruderer-Wegelin arbeiten im Familienbetrieb. Zuerst führt uns Dan Wegelin ins Untergeschoss, wo sich unter alten Holzstrukturen über 300 Blazer und Hemden ausbreiten, alles Einzelstücke für Schnäppchenjäger. Der Fokus liegt bei der EMANIS Trend und Mass AG allerdings auf Masskonfektionen für Damen und Herren, sowie Festkleidung und Hochzeitsanzüge für den Herrn. Daneben bietet der Familienbetrieb Trend- und Businessmode und Accessoires an. Dan Wegelins Augen glänzen, als er uns durch seine Kollektion und die Boutique führt.
Das Geschäft liegt an der Stadthausstrasse 81 in Winterthur, wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Im Inneren ist ersichtlich, dass das
historische Gebäude Teil der im 12. Jahrhundert erbauten Stadtmauer ist, errichtet mit Steinbollenwänden. Das Reich der Massanzüge befindet sich im Obergeschoss. Im hauseigenen Nähatelier führen die Schneiderinnen gerade Änderungsarbeiten aus. Wir setzen uns für die Zusammenstellung des Anzugs an den grossen, perfekt ausgeleuchteten Tisch. Der Verkaufsleiter der «zürichRUNDSCHAU», Salvatore D’Alessandro, stellt sich heute mithilfe der kompetenten Beratung von Dan Wegelin einen Massanzug zusammen. Zu Kundenterminen geht D’Alessandro oft persönlich, ein gut sitzender Anzug gehört für ihn zum gewinnbringenden Auftreten dazu. Die «zürichRUNDSCHAU» war bei der Materialauswahl und beim Massnehmen dabei, hat zugeschaut, Fragen gestellt und fotografiert.
«zürichRUNDSCHAU»: Herr Wegelin, mit Ihrer Boutique setzen Sie auch stark auf Masskonfektion. Was hat das für Vorteile für den Kunden? Dan Wegelin:
Mit der Masskonfektion kann EMANIS das Bedürfnis der individuellen Bekleidung der Kunden wahrnehmen und umsetzen. Die Masskonfektion ist modular aufgebaut: Der Kunde wählt sein eigenes individuelles Design aus einer Vielzahl von Stoffen, Knöpfen, Futtern und modularen Elementen wie Saumlängen, Taillenformen, Ausschnitt- und Kragenformen und Taschen aus. Zusammen mit Salvatore D’Alessandro selektiere ich nun zum Beispiel Schritt für Schritt die auf seine Bedürfnisse und seinen Geschmack abgestimmten Farben, Texturen, Formen und Elemente.
Salvatore D’Alessandro: Ich fühle mich bei EMANIS in guten Händen, perfekt beraten und wohl. Für mich als gebürtiger Italiener ist besonders der feine Espresso hervorzuheben. Buonissimo!
Der Tisch, auf dem Sie die Muster zeigen, ist sehr gut ausgeleuchtet. Es erinnert ein wenig an ein Fotostudio …
Dan Wegelin: Wir verwenden Tageslichtlampen mit 600 Kelvin. Dies ist wichtig für die Farbauswahl. Beliebige Lichtquellen verfälschen die Farbwahrnehmung.
Was ist der erste Schritt bei der Auswahl eines Massanzugs?
Das Zusammenstellen beginnt mit der Auswahl der Grundform des Vestons. Herr D’Alessandro wählt nun beispielsweise für seinen Veston die Ausführung mit zwei Schliessknöpfen, dem fallenden Revers undt
zwei seitlichen Schlitzen im Rückenteil. Nun können wir weitere Details bestimmen. Zur Auswahl stehen verschiedene Taschenvarianten wie Paspel-, Leisten- oder Billetttaschen. Ergänzend dazu kann Herr D’Alessandro für diverse Kanten verschiedene Ziernähte wie Steppung oder imitierter Handstich aussuchen.
Was empfehlen Sie hier Herrn D’Alessandro?
Für sein Veston empfehle ich ihm den dezenteren Handstich. Beim Ärmelabschluss kann er ausserdem die Anzahl und die Stellung der Knöpfe – ob nebeneinander oder als Kissing Button – bestimmen. Die geöffneten, durchgeknüpften Knopflöcher gelten als Markenzeichen eines massgeschneiderten Anzugs.
Salvatore D’Alessandro:
Ich schätze die guten Ratschläge. An Punkten, an denen ich nicht auf Anhieb sicher bin, etwa welche Farbe oder welches Muster besser passen, berät mich Herr Wegelin sehr kompetent. Es ist klar, hier sitze ich einem Profi gegenüber und ich weiss, dass es am Ende stimmt. Ein gutes Gefühl!
Herr Wegelin, bei einem Massanzug geht es vor allem um die Individualität des Trägers. Abgesehen von verschiedenen Schnitten und Stoffen – wie lassen sich hier Akzente setzen Dan Wegelin:
Akzente können durch verschiedenfarbige Ober- oder Unterkragen, Knopflöcher, Ärmellederflecken und Steppungen gesetzt werden. Ein eingesticktes Monogramm vervollständigt den individuellen Massanzug zudem. Für die Innenverarbeitung bieten sich ebenfalls verschiedene Varianten an. Bei der Futterstoffauswahl gibt es die Möglichkeit zwischen verschiedenen Sujets zu wählen, die beispielsweise Hobbys darstellen oder Geschichten erzählen.
Herr D’Alessandro, für welchen Futterstoff entscheiden Sie sich? Salvatore D’Alessandro: Ich liebe den Fussball. Aber trotz Fussballbegeisterung fällt meine Wahl auf die Weltkarte. Mein Anzug soll eine Geschichte erzählen und sie beginnt hier bei EMANIS. Mit diesem Anzug gehe ich zu Kunden, strahle Sicherheit aus. Beim Verkauf ist der erste, äussere Eindruck sehr wichtig. Aber dieser Anzug hat ebenso ein Innenleben und dieses steht für meine innere Ausstrahlung. Ich reise gerne. Und wenn ich den Anzug öffne, kommt die Weltkarte zum Vorschein und ihr Anblick öffnet mein Herz. Mein Anzug motiviert mich. Positiv bei den Kunden ankommen und nebenbei auch eine Geschichte erzählen, das verspreche ich mir von meinem neuen Anzug!
Zu einem guten Anzug gehört auch eine passende Hose. Worauf sollte ein Mann bei der Auswahl achten und was ist momentan im Trend? Dan Wegelin:
Bei den Hosen gibt es die Varianten mit klassischer Bügelfalte oder mit Bundfalte, die aktuell wieder in Mode kommt. Beim Hosen bund gibt es Varianten ohne oder mit Gurtschlaufen. Dazu sind verschiedene Hosentaschenvarianten wählbar.
Jetzt haben wir Schnittmuster, Stoff, Details und Innenfutter ausgewählt. Erklären Sie uns das weitere Vorgehen.
Beim Abstecken gehen wir systematisch vor und arbeiten uns von oben nach unten. Als erstes macht sich unsere Schneiderin Isidora Sljivic einen Gesamteindruck von Herrn D’Alessandro. Sie ist Bekleidungsgestalterin mit eidgenössischem Fachausweis und diplomierte Technikerin HF in Textil, Fashion Design und Technologie – und mit Sicherheit eine der bestqualifizierten Schneiderinnen.
Isidora Sljivic:
Als erstes schaue ich, wie er da steht. Hat er eine besonders aufgerichtete oder geneigte Körperhaltung? Wie sieht es im Schulterbereich aus? Hier schaue ich, ob er Hängeschultern oder eher hohe Schultern hat und ob die Schulterhöhe auf beiden Seiten gleich ist oder ob an einer Schulter die Höhe korrigiert werden muss. Als nächstes kommt der Brustbereich: Hat Herr D’Alessandro eine ausgeprägte Brust oder eher einen runden Rücken? Das sind alles Punkte die ich zusammen mit Herrn Wegelin als erstes kläre. Sie sind ausschlaggebend für einen perfekt sitzenden Anzug. Darauffolgend kontrollieren wir weitere Masse wie zum Beispiel die Rückenbreite, die Gesässweite, die Ärmelstellung und die Längen und stecken diese nach Kundenwunsch ab.
Salvatore D’Alessandro:
Wenn ich hier auf dem Podest vor den grossen Spiegel unter genormten Licht stehe und die beiden die Masse abstecken, habe ich ein Gefühl als würde ich nochmals heiraten.
Was genau nehmen Sie für Anpassungen an der sogenannten Schlupfgrösse vor, damit am Ende der Wunschanzug von Herrn D’Alessandro entsteht? Isidora Sljivic:
Herr D’Alessandro verkörpert am besten den sportlich schmalen, italienischen Schnitt. Deswegen verschmälern wir bei seinem Veston die Reversbreite, verstärken die Taillierung und passen die Rücken stellung an, so dass der Anzug schön am Körper nach läuft. Die Ärmel des Vestons stecken wir passend zur Hemdärmellänge ab, damit das Hemd ein bis zwei Zentimeter hervorschaut. Auch die Hosen gleichen wir dem Style an: die Hosenbeine werden verschmälert bestellt. Die Hosen länge bleibt offen, weil die Länge je nach Weite der Hosenbeine und Schuhen variiert. Die Anpassung der Länge erfolgt erst, sobald der Anzug da ist und er samt Schuhen anprobiert wird.
Salvatore D’Alessandro:
Ich bin beeindruckt von der Schneiderin Frau Sljivic, die sofort erkennt, wo die Problemzonen liegen und den Schnitt entsprechend perfekt auf diese anatomischen Gegebenheiten anpasst. Sie hat dieses künstlerische Handwerk erlernt und hat ein Auge dafür. Bei ihr fühle ich mich wortwörtlich in besten Händen. Ich weiss, da kann nichts schief gehen. Das ist genau das Gefühl, das wir uns wünschen, wenn wir jemandem das Vertrauen schenken. Ich bin jetzt sehr gespannt. Die Erwartungshaltung ist gross. Die Bedienung und die Anpassung waren sehr professionell, der Auswahlprozess gut begleitet und das Ambiente sehr angenehm. Ich bin überzeugt, dass der Anzug so herauskommt, wie ich mir das in meinem Kopf vorstelle.