Kunstvoll, süss, Wagashi. Die kleinen japanischen Dessert-Kunstwerke sind ein Erlebnis für alle Sinne und werden längst nicht mehr nur zu einer Teezeremonie serviert.
Wagashi ist eine Süssspeise mit Tradition. Ihren Ursprung hat das Gebäck als Begleitung zu Grüntee während der traditionellen Teezeremonie. Der Tee hat meist eine fein-herbe Bitternote, diese wird mit dem süsslich-fruchtigen Wagashi gemildert. Das Besondere an den kleinen Süssspeisen sind die verschiedenen Formen, Texturen, Farben und die filigrane Optik. Aber auch wenn es sich um ein kleines Dessert handelt, sind die mundgerechten Konfektstücke nicht übermässig süss und mit Früchten, Nüssen, Blättern und Blüten sehr dezent aromatisiert. Die Hauptzutaten sind Reis-, Weizen- oder Sojamehl, Sesam, Azuki-Bohnen, Esskastanien, weisse Bohnenpaste, sowie je nach Jahreszeit Blüten und Kräuter. Gefärbt wird mit Früchten, Kräutern und Lebensmittelfarben. Aus diesen wenigen Zutaten kreieren die japanischen Konditoren dann passend zur Saison die kleinen Meisterwerke. Manche der Süssspeisenkünstler arbeiten zudem mit intensiveren Aromen wie Zitrone und Ingwer, die zusätzlich für kleine Geschmacksexplosionen sorgen.
Kunstvolle Leckereien
Ebenso vielseitig wie die filigranen Verzierungen sind die Namen der Leckereien. Ob Namagashi, Daifuku, Dango, Kusamochi, Dorayaki oder Higashi, – die Japaner geben jeder Kategorie einen eigenen Namen. So sind beispielsweise Daifuku kleine Reiskuchen, Dorayaki ein Pancake-artiges Gebäck. Was für uns ganz klangvoll klingt, ist für die Japaner nichts anderes, als wenn wir beim Konditor nach Plunderstücken, Berlinern oder flammenden Herzen fragen.
Die Herstellung der kleinen Leckereien erfordert viel Können. Fingerfertigkeit ist dabei das A und O, denn zubereitet werden die Köstlichkeiten meist in liebevoller Handarbeit. In Japan gibt es über 80’000 Handwerksmeister, welche die Kunst der Wagashi-Herstellung beherrschen und immer wieder neue Kreationen ausprobieren. Für die wunderschönen filigranen Verzierungen wird dabei spezielles Bambuswerkzeug verwendet. 2015 erlangte das Gebäck einen grösseren Bekanntheitsgrad durch den Film «Kirschblüten und rote Bohnen». Die rote Bohnenpaste von der alten Dame Tokue steht im Mittelpunkt der Handlung, und sie bereitet damit ganz wunderbare Dorayaki – eine Untergruppe der Wagashi – zu.
Optisch sind die Wagashi in jedem Fall filmreif. Vielmehr sind sie aber tief in der japanischen Kultur verwurzelt. Hergestellt wird das Naschwerk in traditionsreichen Familienbetrieben, in denen die Rezepte, das Wissen und die Werkzeuge über viele Generationen weitergegeben werden. Fazit: Das Ergebnis sind Süssigkeiten, die durch ihre Form, Farbe und Komposition ein Erlebnis für alle fünf Sinne verkörpern. In Japan werden Wagashi nahezu überall in Süssigkeitenläden, Cafés, Kaufhäusern, Supermärkten und Strassenständen angeboten.
Sind Sie neugierig geworden und möchten die kleinen Leckereien selbst herstellen? Meist finden Sie Wagashi eher als Unterpunkt in einem japanischen Kochkurs. Reine Wagashi-Kochkurse werden noch sehr selten angeboten. Der Bekanntheitsgrad ist dafür wohl hierzulande noch zu gering. Uns haben die kleinen Leckereien jedenfalls verzaubert – nicht nur bei einer gemütlichen Tasse Tee. Allerdings kostet es beim ersten Wagashi schon ein bisschen Überwindung, diese kleinen Kunstwerke zu geniessen, sind sie optisch doch fast zu schade zum Vernaschen – aber eben nur fast … Yoi shokuyoku (guten Appetit!).