Museumsufer, Mathildenhöhe und mehr: Die Destination Frankfurt/Rhein-Main profiliert sich mehr denn je als Ziel für Kulturreisende.
Ein Regenbogen geht auf über der Frankfurter Schirn. Und ein Schweizer hat ihn geschaffen. Zwei Wörter spannen sich ab Ende Juni in bunten Farben über der
Ausstellungshalle am Rand der Altstadt: «Life Time», so heisst die Schau zum Werk des Schweizer Künstlers Ugo Rondinone, die ab 24. Juni bis zum 19. August zu sehen ist. Rondinones Werke bezaubern auf eine poetische Art und Weise. Mal bunt und humorvoll wie der Regenbogen auf dem Dach, mal sinnlich wie die «Nudes» aus Wachs und Erde, die in der Ausstellung sitzen, als seien sie schon immer im Haus gewesen.
Kultur ist in Frankfurt und der Destination Frankfurt/Rhein-Main das starke Pendant zu Wirtschaft und Geschäft. Mehr denn je profiliert sich Deutschlands Börsen- und Bankenmetropole als Stadt der Kunst und Kreativität, die aussergewöhnliche Perspektiven eröffnet – auch und gerade als Reiseziel. Das beginnt schon beim Hotelzimmer. In schicken Hotels mit Rooftop-Bars wechselt man hoch oben über zumindest den meisten Dächern der Stadt buchstäblich die Perspektive. Und wer lieber am Boden bleibt, logiert in feinen Boutiquehotels wie den Ameron-Neckarvillen, die Zimmer im formvollendeten 50er-Jahre-Style bieten.
Das perfekte Abendprogramm bietet die Frankfurter Oper. Intendant Bernd Loebe, seit 20 Jahren im Amt, hat dem Haus zu einem starken Profil verholfen. Das liegt zum einen am Gespür der Frankfurter für aussergewöhnliche Stoffe. «Ich denke, dass die Oper Frankfurt federführend darin ist, Werke aufzustöbern, die vielleicht über die Jahrhunderte verloren gegangen sind, sich versteckt haben oder auch missverstanden wurden», sagt Loebe. Solchen Stücken bietet die Oper Frankfurt nicht nur die grosse Bühne, sondern besetzt sie auch noch mit aussergewöhnlichen Stimmen. «Wir sind dafür bekannt», sagt Loebe, «dass wir junge Sängerinnen und Sänger, vielleicht die Stars von morgen, finden und ihnen bei uns die Gelegenheit geben, sich zu entwickeln. Viele dieser Talente wie Brenda Rae oder Elza van den Heever singen längst in der Met und in Covent Garden, aber sie kommen immer gerne zurück nach Frankfurt – und das gibt uns wiederum die Möglichkeit, mit solchen Grössen zu arbeiten.»
Zu den Weltstars, die in Frankfurt debütierten, zählt auch die litauische Sopranistin Asmik Grigorian, die im September bei ihrem ersten Liederabend an der Oper Rachmaninow singen wird. Und auch sonst bietet das Programm etliche Höhepunkte. Johannes Leiackers Kulissen zu Richard Strauss’ «Capriccio» wurden 2018 vom Fachmagazin Opernwelt zum Bühnenbild des Jahres gekürt, in Rossinis «La Cenerentola» entführen Puppen das Publikum in eine andere Welt. Für den Intendanten ist die Oper ein Gesamtkunstwerk, «ein Erlebnis im Moment, das nur die Oper schaffen kann.»
Ein ganz anderes Gesamtkunstwerk liegt nur eine halbe Stunde entfernt: 2021 wurde die Mathildenhöhe in Darmstadt von der UNESCO zum Welterbe ernannt. Grossherzog Ernst Ludwig, ein Enkel der Queen Victoria, holte vor über 100 Jahren Künstler und Kreative in die Stadt und schuf damit eine Art Innovation Lab, das seiner Zeit weit voraus war. «Das Besondere ist, dass der Grossherzog hier in Darmstadt nicht einen Ort der hessischen oder deutschen Kultur schaffen wollte, sondern schon damals einen Ort der internationalen Kultur», sagt Philipp Gutbrod, Direktor der Mathildenhöhe. Die russische Kapelle, der berühmte Hochzeitsturm und die ersten Häuser im Stil der frühen Moderne, alles liegt hier dicht an dicht. «Der Herzog hat seinen Blick immer nach vorne gewandt», sagt Gutbrod. In dieser Tradition sieht sich auch die Mathildenhöhe heute. Zeitgenössische Kunst spielt im Ausstellungsprogramm eine grosse Rolle, ab dem 24. Juni zeigt das Museum Künstlerkolonie etwa die Arbeiten von Nadira Husain, die in Berlin, Paris und Hyderabad zu Hause ist. Ein Ort, an dem man die Weltoffenheit der Mathildenhöhe besonders
spüren kann, ist der wunderschöne Platanenhain, den der Bildhauer Bernhard Hoetger gestaltete. «Verse von Goethe, altägyptische Mythen, frühe hinduistische Texte aus der Bhagavadgita – all das verbindet sich hier zu einem Kultur-Sampling vom Feinsten», sagt Gutbrod.
Gekonntes Kultur-Sampling bietet die Destination Frankfurt/Rhein-Main aber auch als Ganzes. In Aschaffenburg eröffnet im Juni 2022 das neue Christian Schad Museum als Hommage an den Meister der Neuen Sachlichkeit, die Opelvillen in Rüsselsheim präsentieren Schlüsselwerke der klassischen Moderne und die Keltenwelt am Glauberg nimmt Besucher der Ausstellung «Kelten Land Hessen» mit auf eine Reise in die Zeit vor 2400 Jahren. Nicht zu vergessen ist Frankfurt. Eine Kunstdichte, wie sie das dortige Museumsufer bietet, ist in Europa sonst kaum zu finden: Design, Mode und Lifestyle im Museum für Angewandte Kunst, antike Skulpturen im Liebighaus und mittendrin das Städel Museum – ein Klassiker, der alles andere als altmodisch daherkommt. Das Haus geht zurück auf den Kaufmann Johann Friedrich Städel. Er hinterliess der Stadt 1815 seine Kunstsammlung mit dem Auftrag – ganz Geschäftsmann –, mehr daraus zu machen.
Frankfurt ist diesem Wunsch mehr als nachgekommen, das Städel bietet eine Grandtour durch die Kunstgeschichte: hoch oben Botticelli und Rembrandt, ganz unten in den spektakulären unterirdischen Gartenhallen Francis Bacon und Gerhard Richter. Die vielen runden Fenster in der Decke erstrecken sich als Teppich aus 175 Bullaugen im Museumsgarten – so viel Licht war noch nie in einem Kellerbau.
Und dann sind da noch die Orte, an denen sich alles trifft: Kultur, Wirtschaft und Genuss. Manche von ihnen sind im Wortsinn gehoben wie das sternegekrönte Restaurant im Main Tower oder das «Franziska» im Henninger Turm. Andere sind bodenständig und auf ihre Art die Herzkammern des Frankfurter Lebens. In Apfelweinkneipen wie «Atschel» oder «Solzer» rücken allmählich und endlich alle wieder zusammen. Die Bembel kommen auf die Tische, Gäste sitzen neben Einheimischen, die Stimmen fliegen durcheinander, und es gibt keinen besseren Ort zum Anstossen. Auf die Reise nach Frankfurt. Auf das Leben. Auf die Kunst.